Das war Tag acht im Amokfahrerprozess

Am Donnerstag war der letzte Tag im Grazer Amokfahrerprozess. Vor dem Urteil war noch eine Psychologin am Wort, anschließend folgte die Verlesung der Frage und die Plädoyers.

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Am Vormittag war noch die Psychologin Anita Raiger an Wort, die ein forensisches Gutachten über den Amokfahrer erstellt hat: Sie konnte bei ihren Untersuchungen keine psychotische Störung erkennen - vielmehr spricht sie in ihrem Gutachten von einer psychopathischen Störung, einer hohen Lügenbereitschaft, einer hohen Gefährlichkeit und Rückfallwahrscheinlickeit.

Ängstlich und menschenverachtend

Raiger untersuchte den Amokfahrer insgesamt sechs Mal jeweils über mehrere Stunden, führte Tests mit ihm durch, wie er sich selbst einschätzt. Der Kriminalpsychologin erschien er einerseits als ein ängstlicher, stark selbstunsicherer Mensch, andererseits als kühl, menschenverachtend und gefühllos, der sich durch den Leistungsanspruch völlig überfordert fühlt, ein hohes Machtbedürfnis hat und stark abhängig von anderen Menschen war, insbesondere von seinen Eltern - sie seien das zentrale Gefüge seines sozialen Lebens gewesen; vor der Amokfahrt habe er keine Nacht ohne Eltern verbracht, habe er ihr erzählt.

Parallelen zu einem Computerspiel

Laut der Psychologin habe er vermutlich seine Schwächen durch die Tat kompensieren wollen - seiner Meinung nach habe ihm die Gesellschaft alles genommen, Geld, Familie, da kamen dann Rache und Hass auf. Die Psychologin erkannte in der Amokfahrt viele Parallelen zu einem Computerspiel.

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„Mord und Mordversuch“

Am Nachmittag gab es dann die Schlussplädoyers: Jene der beiden Staatsanwälte waren kurz und bündig, die Verteidigerin hielt sich noch kürzer. Seitens der Ankläger wurde nochmals das Horror-Geschehen aufgerollt: „Er hat vielen Menschen großes Leid zugefügt“.

Der erste Staatsanwalt begann mit dem Satz: „Ein längeres Verfahren neigt sich dem Ende zu.“ Er ließ nochmals die Amokfahrt vom 20. Juni 2015 Revue passieren und verwies auch auf die „vielen vergossenen Tränen.“ Die Handlungsweise des 27-Jährigen sei objektiv als „Mord und Mordversuch anzusehen“, betonte der Ankläger.

„Sie können nicht falsch entscheiden“

Sein Kollege ging dann auf die Frage der Zurechnungsfähigkeit ein: „Sie können nicht falsch entscheiden, sie haben immer einen Professor hinter sich“, betonte der Staatsanwalt. Zwei psychiatrische Sachverständige hatten den Amokfahrer für nicht zurechnungsfähig eingestuft, einer für zurechnungsfähig. „Sie dürfen nach Ihrem Bauchgefühl entscheiden“, gab der Staatsanwalt den Laienrichter mit auf den Weg.

„Er spielt uns etwas vor“

Auch die Anwälte der Opfer kamen zu Wort: „Ich habe die Möglichkeit, 57 Opfern eine Stimme zu geben“, meinte etwa Gunther Ledolter. Der Anwalt der Eltern des getöteten Buben, Bernhard Lehofer, erklärte, seine Mandanten wollten in erster Linie „dass das, was ihnen passiert ist, nie wieder jemandem passiert.“ Er betonte, dass er nicht an die Unzurechnungsfähigkeit des Betroffenen glaube: „Ich bin felsenfest überzeugt, er spielt uns was vor.“

Die Verteidigerin schließlich beschränkte sich auf drei Minuten Redezeit und forderte lediglich die Geschworenen auf, ihren Mandanten als nicht zurechnungsfähig einzustufen. Im Anschluss zogen sich die Geschworenen zur Beratung zurück.