Osteransprache von Bischof Egon Kapellari

An jedem Ostermorgen und so auch heute sind die Christen eingeladen, sich in gläubiger Phantasie an das zu erinnern, was nach dem Zeugnis der Evangelien vor ungefähr 2000 Jahren in Jerusalem geschehen ist. Drei Jahre lang hatte eine kleine Zahl von Männern und Frauen eine besonders enge Gemeinschaft mit Jesus von Nazareth erlebt. Jesus war in keine der bisher üblichen religiösen Kategorien völlig einzuordnen gewesen. Er war ein Mann Gottes, der Worte sagte, die man so vorher nie gehört hatte, der Wunder tat und alles überbot, was bisher an religiösen Gestalten vom Volk Israel erlebbar gewesen war.

Egon Kapellari

ORF

Sendungshinweis:

„Guten Morgen Steiermark“; 20.4.2014

Heimkehr in der Aufersteheung

Nun aber schien er gescheitert zu sein nach der Verstoßung durch die Hohenpriester, nach dem Todesurteil des Pilatus und nach der Kreuzigung durch römische Soldaten. Die Jünger und die Frauen waren dabei, sich zu zerstreuen wie Schafe, die keinen Hirten haben. Ihre Hoffnung war mit Jesus begraben worden. Dann aber kam die überraschende Wende: der gekreuzigte Tote zeigte sich diesen Männern und Frauen als lebendig, aber in einer neuen Weise, anders als bisher. Er kam von der anderen Seite der Todesgrenze her als Auferstandener zu ihnen. Er ging durch verschlossene Türen wie ein Geist, aber er erschien auch in leiblicher Gestalt, war berührbar und hielt einige Male auch ein Mahl mit ihnen. So wurde deutlich, dass er einerseits derselbe war wie früher, dass er zugleich aber für immer ein anderer geworden war. Um dies zu erfahren, mussten die Jünger ihn auch sehen und berühren können, und doch wussten sie nun, dass er in seiner Auferstehung von den Toten heimgekehrt war in seinen Ursprung bei Gott dem Vater. Zugleich versprach er ihnen, dass er bei ihnen bleiben werde bis zum Ende der Welt, nun aber in der Kraft des Heiligen Geistes und seiner Gaben, die er unablässig in die Kirche hinein und auch über ihre Grenzen hinaus verströmt, als eine Quelle spiritueller Energie für eine bessere Welt. An all das wird besonders zu Ostern erinnert.

Herausforderung unserer Kraft

Jesus Christus, das Lamm Gottes, hat sich als stärker erwiesen als seine ungerechten Richter und Henker. Das Licht war stärker als die Finsternis. Damit ist eine Perspektive für die ganze weitere Geschichte der Menschheit eröffnet worden. Eine Perspektive der Hoffnung, dass die Bilanz der Weltgeschichte schließlich positiv sein wird.

Wer Ostern so versteht, der braucht sich nicht lähmen zu lassen von der Schwerkraft, die das Leben von Menschen und ihren Gemeinschaften oft zu Boden zieht. Diese Schwerkraft lastet immer wieder auch auf Kirche und Gesellschaft. Das ergibt oft sehr wehtuende Abschiede und Brüche. Das ist aber auch eine Herausforderung unserer Kraft zum Glauben, Hoffen und Lieben, die das Beste unserer Fähigkeiten anspricht. Papst Franziskus hat seinem jüngsten Apostolischen Schreiben den Titel „Evangelii Gaudium“ gegeben, auf Deutsch: „Die Freude am und durch das Evangelium.“ Das ist ein starker Impuls an die ganze Kirche, an die ganze Christenheit und in vieler Hinsicht auch an die ganze Menschheit. Dieser Impuls erspart nicht, tiefer zu denken und weniger bequem zu leben. Er ist eine Zumutung im besten Sinn dieses Wortes. Er fordert zum Mut heraus, zum Vertrauen auf Gott und auf die Kräfte, die Gott in uns hineingelegt hat. Immer wieder ist Ostern. Immer wieder schreibt Gott auch auf krummen Zeilen gerade. Immer wieder werden Lasten aufgehoben, so wie der schwere Stein vom Grab Christi weggehoben wurde. Ostern ist ein Fest gegen alle seelische Schwerkraft.

Ich wünsche Ihnen gesegnete Ostern, als Flügel gegen solche Schwerkraft.