50 Jahre türkische Gastarbeit in Österreich
„Die ‚Nigger‘ Europas“: Auch die Anführungszeichen, unter denen das amerikanische Schimpfwort steht, vermögen nicht die Respektlosigkeit dieser Schlagzeile zu mildern, die sich eine österreichische Zeitung im Jahr 1973 erlaubte und die den Besucher der Ausstellung „Avusturya“ im Grazer Stadtmuseum gleich am Eingang schockiert.
Sendungshinweis:
„Der Tag in der Steiermark“, 2.12.2014
Bejubelte Gastarbeiter
Neun Jahre zuvor hatte man die ersten Gastarbeiter, die mit Sonderzügen und Bussen aus der Türkei gekommen waren, noch jubelnd willkommen geheißen. Unter ihnen war auch der Metallgießer Ekrem Arslan: „Wir haben Nockenwellen und Bremsträger gemacht, viele Teile für Ford und Mercedes.“
Ekrem Arslan ist gebürtiger Kurde aus dem Osten der Türkei und lebt mittlerweile seit über 40 Jahren in der Steiermark: „Wir haben drei Söhne hier geboren und zwei Töchter in der Heimat geboren, wir haben die ganze Familie 1976 nach Österreich mitgebracht, aber ich vermisse meine Heimat immer.“
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Schau an Lebensgeschichten
Mehr als 30 Menschen wie Ekrem Arslan, also Gastarbeiter der ersten Generation, interviewten die Mitglieder des Grazer Kultur- und Integrationsvereins JuKUS. Ihre Lebensgeschichten bilden die inhaltliche Grundlage der Ausstellung Avusturya, sagt Vereinsmitglied Ali Özbasch: „Bis zum kleinsten Detail haben sie etwas erzählen können, wie sie gearbeitet haben, gewohnt haben, und auch die Kindererziehung war ein großes Thema.“
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Werner Ranacher berichtet in „Steiermark heute“ über die Ausstellung „Avusturya“ im Grazer Stadtmuseum
Gefühl der Zughörigkeit
Ali Özbasch kam selbst mit 14 Jahren aus Ostanatolien in die Steiermark. Gerade für Teenager sei Migration besonders hart, erzählt er aus eigener Erfahrung; mittlerweile fühle er sich aber wohl in Österreich, und auch die meisten, der von JuKUS interviewten Gastarbeiter seien mit ihrem Leben hier zufrieden: „Die Gründe sind: Die Kinder sind hier, sie sind hier sozialisiert worden, der Lebensmittelpunkt ist Österreich, es haben auch ganz viele die Staatsbürgerschaft erworben, und das führt auch zu Zugehörigkeit.“
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Was wieder zu ganz anderen Problemen führt, die in der Ausstellung „Avusturya“ auch an den Bildern aus einem kleinen anatolischen Dorf sichtbar werden: Praktisch alle Häuser des Weilers sind von Menschen erbaut worden, die irgendwo im Ausland - auch in der Steiermark - ihr Geld verdienen. Die meisten Häuser sind allerdings unbewohnt.
Ausstellungstipp:
„Avusturya - 50 Jahre türkische Gastarbeit in Österreich“ - zu sehen bis 22. Dezember im GrazMuseum
Museum will Solidarität wecken
„Avusturya - 50 Jahre Gastarbeiter in Österrreich“, will Vorurteile abbauen, Solidarität wecken und ganz einfach Bewusstsein schaffen, betont der Sozialhistoriker und Ausstellungskurator Joachim Hainzl: „Österreich oder Graz wären nicht das, hätten wir nicht die Migration gehabt. Also wir haben auch mit einem Zeitzeugen gesprochen, wo überall in der Stadt Graz er bei Baustellen mitgearbeitet hat - wenn wir uns die Stadt Graz vorstellen ohne die Menschen, die als Bauarbeiter oder in anderen Bereichen mithelfen, dann würde die Steiermark ganz anders aussehen.“