Zwischen wundervoll und alltäglich

An was können wir uns am besten erinnern? An welche Ereignisse oder Personen? Das Grazer Theater im Bahnhof beschäftigt sich im Rahmen des steirischen herbstes in „The Wonderful and the Ordinary“ mit dem Gedächtnis.

An was erinnern wir uns? An was nicht? Warum genau daran nicht und an das andere schon? Wie schaffen wir es, Alltägliches nicht zu vergessen? Den weißen Hund, die Tasse Cafe, das vorbeifahrende Auto?

Ganz Alltägliches als Ausgangspunkt

„Bestimmte Dinge, die ‚wonderful‘ oder herausragend oder aufregend sind, die merkt man sich, die, die so alltäglich sind, die vergisst man - nur sind wir mittlerweile in unseren Recherchen draufgekommen, dass man eigentlich alles vergisst oder sich alles irgendwie zurecht legt. Das Hirn arbeitet so, dass es immer wieder Sachen neu erfindet und jedes Mal glaubt, es hat es so erlebt“ sagt Pia Hierzegger vom Theater im Bahnhof, und Monika Klengel ergänzt: „Deshalb haben wir angefangen, Notizen zu zu machen in einem Zeitraum von einem Monat, wo wir jeden Tag einfach niedergeschrieben haben, was uns an alltäglichen Dingen passiert, was wir einkaufen, was wir essen, wie viel Kaffee wir trinken. Und diese ganz alltäglichen Sachen waren dann das Ausgangsmaterial für das, was auf der Bühne passiert.“

The Wonderful and the Ordinary

Studio Reko/steirischer herbst

Sendungshinweis:

Der Tag in der Steiermark", 27.9.2017

Welche Methoden gegen das Vergessen gab es bereits in der Antike? Wie können wir möglichst viel in kurzer Zeit abspeichern? Wo und wann entstehen unsere stärksten Erinnerungen? „Viele Erinnerungen, die man aus der Kindheit zu haben meint, sind oft Sekundärerinnerungen, wo Eltern oder Verwandte es so oft erzählt haben, dass man zum Schluss glaubt, das ist wirklich die eigene Erinnerung. Und ab 50 plus gibt es so etwas wie das Schönreden der Vergangenheit - dass man sich dann plötzlich nur mehr an die Dinge zu erinnern meint, die gut waren und deshalb glaubt, dass die Vergangenheit besser war“, sagt Lorenz Kabas.

Die Erinnerung lügt einen an

Nostalgie hat aber nichts mit getreuer Erinnerung zu tun - gemäß dem diesjährigen herbst-Motto „where are we now - wo befinden wir uns?“ - mehr dazu in Jelinek und Jubiläum - der steirische herbst 2017; trotzdem ist sie wieder stark im Kommen.

Im Stück „The Wonderful and the Ordinary“ bringt Monika Klengel den Anti-Nostalgie-Monolog, „der eigentlich genau davon handelt, dass man seine eigene Erinnerung konstruiert, und es gibt einen Satz aus einem Buch, den ich total super finde, der heißt: ‚Memory is a liar‘. Wenn sich eine Geschichte gut anfühlt, dann glaubt man, dass sie so stattgefunden hat, aber dass das alles nicht wirklich so ist, bestimmt auch die Atmosphäre des Abends - es ist ein sehr vager Erinnerungsraum, den wir da schaffen“. Die Zuschauer sollen diesen Raum dann als eigenen Denkraum nutzen.

Ein leiser Abend mit subtilem Humor

Seit dem Frühjahr arbeiten Monika Klengel, Pia Hierzegger und Lorenz Kabas mit dem schwedischen Team rund um Choreografin Gunilla Heilborn; zwei Mal waren sie in Stockholm, nun wird der Stoff in Graz auf die Bühne gebracht. „Wir verraten natürlich gar nichts, aber Gunilla Heilborn hat immer einen sehr humorvollen Zugang. Es ist irgendwie ein leiser Abend, sie ist keine Schenkelklopferin, es ist alles sehr subtil, und sie hat eine sehr große Affinität zu Film, und das merkt man auch, weil sie auch für die Bühne sehr filmisch denkt“, sagt Hierzegger.

„Man braucht sich nicht fürchten“

„The Wonderful and the Ordinary“ ist ein internationales Projekt, eine Liebeserklärung an das Alltägliche - und das in englischer Sprache: „Wir sprechen zwar englisch, was vielleicht ein bisschen ungewöhnlich ist für uns Theater im Bahnhof-Leute vor dem Grazer Publikum, aber nachdem das so ein sehr atmosphärischer Raum ist, der da entsteht, glaube ich, braucht man sich nicht fürchten“, so Klengel.

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