Burnout im 19. Jahrhundert

In „Ivanov“ hat Anton Tschechow 1887 eine ruhelose Gesellschaft gezeichnet, die keine Antwort auf existierende Umwälzungen weiß. Was damals aktuell war, ist es heute umso mehr, das zeigt auch die Inszenierung am Grazer Schauspielhaus.

Ivanov steht verloren auf der Bühne, hinter ihm Reste eines hohen Weizenfeldes. Er steckt sich die trockenen Ähren in die Taschen seines Anzugs, sieht aus wie eine zerzauste Vogelscheuche.

Szene Ivanov

ORF

Alles ist knapp geworden auf seinem Landgut: das Geld, die Ideale, die Visionen, aber vor allem der Glaube ans Leben und an eine Zukunft. Aufgebraucht und leer fühlt er sich - heute würde man sagen, dieser Ivanov, dessen Frau todkrank ist und dessen neue Liebe zur reichen jungen Nachbarstochter auch nichts retten kann, hat ein Burnout.

Angst vor Versagen und verschmähter Liebe

Ursprünglich als Komödie geschrieben, hat Anton Tschechow seinen Ivanov 1889 zur Tragödie überarbeitet. Der deutsche Regisseur Jan Jochymski sieht darin aktuelle Fragen: „Wir sehen Menschen, die Angst haben, nicht geliebt zu werden und Angst zu versagen. Genau das sind auch die heutigen Antriebsfedern.“

Szene Ivanov

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Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 11.4.2014

Großes Drama am Rande des Skurrilen

Es wäre nicht Tschechow, würden Tragik und Melancholie nicht ins Groteske driften - etwa beim Saufgelage samt Abhandlung über Salzgurken oder im mit Perserteppichen tapezierten Haus der reichen Nachbarn, wo die Langeweile in Geschwätz und Alkohol ertränkt wird - mittendrin: der deutsche Gastschauspieler Marco Albrecht als Titelheld.

Regisseur Jochimsky sieht ein Gegenrezept in der Unterwanderung des Systems: „Indem man sich dem Konkurrenzkampf nicht permanent stellt, indem man ein soziales Umfeld aus Familie und Freunden hat, die Liebe pflegt und diesen Begriff ‚Karriere‘ vielleicht in den 90er-Jahren belässt.“

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