Kinder als „Euthanasie“-Opfer im einstigen Feldhof

Die gezielte Tötung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung durch das NS-Regime gilt als eines der dunkelsten Kapitel der Medizingeschichte. Hunderte Kinder wurden im damals so genannten Feldhof in Graz „euthanasiert“. In Graz fand dazu am Freitag ein Gedenksymposium statt.

Der ehemalige Feldhof in Graz-Puntigam, heute die Landesnervenklinik Sigmund Freud, war während der Zeit der Nationalsozialisten für viele Kinder und Jugendliche die letzte Station. Im Feldhof gab es eine „Kinderfachabteilung“. Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung wurden hier eingewiesen und begutachtet, schilderte der deutsche Historiker, Thomas Oelschläger, der sich seit Jahren mit diesem Thema beschäftigt, bei dem Gedenksymposium in Graz.

Feldhof, NS-Zeit, Gedenksymposium Euthanasie

ORF

Der Feldhof in Graz-Puntigam zur Zeit der NS-Herrschaft

Gedenksymposium Feldhof Euthanasie

ORF

Die Gedenktafel erinnert an die Gräueltaten im ehemaligen Feldhof in Graz

Gutachter entschieden über Leben oder Tod

Das im Feldhof diagnostizierte Krankheitsbild sei direkt der Kanzlei des Führers Adolf Hitler in Berlin gemeldet worden, so Oelschläger. Mehrere Gutachter entschieden, ob ein Kind getötet werden konnte oder nicht. Im Grazer Feldhof fanden 270 Kinder und Jugendliche den Tod. Die Tötungen wurden mittels Verabreichung von Barbituraten und Schlafmitteln in Überdosierung durchgeführt. „Das war keine Ad-hoc-Tötung, es wurde sukzessiv vorgenommen, damit es nicht so auffiel“, sagte der Historiker.

Feldhof, NS-Zeit, Euthanasie

ORF

Ein Gutachten ausgestellt von Ärzten des damaligen Feldhofes

In nassen Kleidern bei offenem Fenster verhungert

Nicht alle Kinder wurden auf diese Weise ermordet, zahlreiche Kinder habe man auch einfach verhungern lassen, sagte Rainer Danzinger, Facharzt für Psychiatrie und Organisator des Symposions: „Zum Teil hat man sie einfach sterben lassen durch Unterernährung, bei offenem Fenster mit nasser Kleidung liegen gelassen, das ist aus den Krankengeschichten erkennbar, wie die Kinder immer weniger spielen, immer stiller werden, und dann sind sie plötzlich tot.“

Der Grazer Feldhof zur NS-Zeit

Während der NS-Herrschaft wurden auch in Graz im Rahmen der „T-4-Aktion“ Erwachsene und Kinder mit einer Behinderung eingeliefert. Insgesamt schickten vier verantwortliche Grazer Ärzte bis Kriegsende mehr als 1.000 Patienten im Feldhof in Graz-Puntigam in den Tod.

Vorfälle blieben jahrelang geheim

Trotz Dutzender Mitwisser wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nur ein Arzt des Feldhofs angeklagt. Außerdem sei dieses dunkle Kapitel jahrelang vertuscht worden, weil nach Kriegsende zahlreiche belastende Krankengeschichten verschwunden seien, so die Organisatoren des Symposiums. Mit dem Symposium am Freitag wollte man die Beteiligung der Grazer Ärzteschaft an Patientenermordungen aufarbeiten, aber auch eine Brücke in die Gegenwart schlagen, betonte Danzinger.

Aus der Sicht Danzingers geht es auch maßgeblich um die Bedeutung der Trennung der Patienten, und zwar in solche, die die teuren Leistungen der Medizin bekommen, und jene, für die es sich nicht mehr auszahlt. Hier, so Danzinger, müsse eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart geschlagen werden.

Buch zu „Euthanasie“-Verbrechen in der Steiermark

Mit dem Gedenksymposium am Grazer LKH sollte dieser jahrzehntelange Mantel des Schweigens endgültig gelüftet werden - im März erscheint dazu auch ein Buch, das unter dem Titel „Schattenseiten“ bisher verleugnete „Euthanasie“-Verbrechen in der Steiermark behandelt.