Leichtfried für mehr Zugeständnisse an EU

Jörg Leichtfried, der bisherige Delegationsleiter der SPÖ-Fraktion im EU-Parlament, hat als Listendritter bei der EU-Wahl ein relativ sicheres Ticket in der Tasche. Er würde sich von den Staaten mehr Zugeständnisse an die EU wünschen.

Der 47 Jahre alte Obersteirer Leichtfried tritt dafür ein, dass die Nationalstaaten dort, wo es sinnvoll ist, auf Kompetenzen zugunsten der Europäischen Union verzichten sollten. Die Realität der politischen Äußerungen sehe jedoch anders aus: „Man erlebt immer wieder, dass Politiker, die national agieren, nicht wirklich bereit sind zuzugeben, dass ihre Möglichkeiten auf nationaler Ebene mit der Zeit erschöpft sind. Das ist doch ein bisschen problematisch für manche und macht die ganze Situation natürlich nicht leichter.“

Was die österreichische Regierung angehe, ist Leichtfried enttäuscht vom EU-Wahlkampf: „Ich hätte mir gewünscht, dass jedes Regierungsmitglied zumindest in der letzten Woche vor der Wahl Europa-Politik gemacht bzw. sich in der jeweiligen Ressortzuständigkeit zu den europäischen Themen geäußert hätte, aber das ist leider nicht passiert.“

Staaten zu geizig bei Kompetenzen

In verschiedenen Politikfeldern gibt es ein gemeinsames Vorgehen der EU - ein Bereich, in dem diese Gemeinsamkeit wenig Wirkung zeigt, ist der Umgang mit den Flüchtlingstragödien im Mittelmeer. Der Grund, warum die EU hier keine wirksame Strategie entwickelt, liegt für Leichtfried am Widerstand der Nationalstaaten: „Sie sind nicht bereit, Kompetenzen an die EU weiterzugeben. Beispielsweise hat die österreichische Innenministerin gesagt, sie will keine Änderung im Hinblick auf die Aufteilung von Flüchtlingen, und dann wird die EU für etwas verantwortlich gemacht, wo sie eigentlich gar nichts dafür kann. Da sind eindeutig die Mitgliedsstaaten schuld.“

„Mehrheiten am Ende akzeptieren“

Laut Vertrag von Lissabon sollen sich der EU-Rat und das EU-Parlament bei der Bestellung des Kommissionspräsidenten am Ergebnis der EU-Wahl orientieren: „Das, was im Parlament vereinbart wurde, geht ja weit über den Vertrag von Lissabon hinaus. Da waren ja eigentlich Spitzenkandidaten gar nicht vorgesehen. Wir haben das gemacht, das ist gut gegangen, ich denke, es läuft auch gut. Da gehört natürlich auch dazu, dass man am Ende Mehrheiten akzeptiert. Man muss schon auch überlegen, inwieweit es über die eigene Fraktion hinaus andere Mehrheiten geben könnte.“

Konkret könnte sich Leichtfried für den Fall, dass die Konservativen nach der EU-Wahl die stimmenstärkste Fraktion sind, vorstellen, deren Spitzenkandidaten Jean Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten zu wählen.

Abstimmung ohne Klubzwang gut und ausreichend

SPÖ-Spitzenkandidat und Quereinsteiger Eugen Freund hatte erklärt, sich erst noch überlegen zu müssen, ob er im Fall des Falles Juncker wählen würde. Für Leichtfried trägt in diesem Parlament, in dem kein Klubzwang herrscht, jeder Abgeordnete selbst Verantwortung über seine Entscheidungen: „Wir müssen das selbstverständlich noch ausdiskutieren. Es kann ja durchaus sein, dass selbst in der SPÖ-Delegation unterschiedlich abgestimmt wird. Bei solchen Fragen soll wirklich das Gewissen des einzelnen Abgeordneten entscheiden, da bin ich der Auffassung, dass es keine darüber hinausgehende Ordnung braucht. Ich denke, das ist ein gutes System.“

ORF-Steiermark-Redakteur Günter Encic hat mit Jörg Leichtfried gesprochen:

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System für Nominierung des EU-Kommissars nötig

Hinsichtlich der Vorgehensweise, nach welcher der österreichische EU-Kommissar nominiert werden soll, muss laut Leichtfried zeitlich differenziert werden: „Ich glaube, wir müssen irgendwann ein System finden, bei dem die Europawahl mit dieser Bestellung verknüpft wird - auf die eine oder andere Art. Ich würde mir wünschen, dass es zumindest unter den beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP diesmal schon in diese Richtung gehen könnte.“ Welche Partei nach der Wahl vorne liege, solle das Vorschlagsrecht erhalten, egal ob ÖVP oder SPÖ.

Keine Enttäuschung über dritten Listenplatz

Leichtfried musste trotz seiner großen Erfahrungen als EU-Parlamentarier und Delegationsleiter den Platz des Spitzenkandidaten dem EU-Neuling Eugen Freund überlassen - darüber herrscht bei ihm statt Missmut aber eher Gelassenheit vor: „An sich war darüber nie viel Enttäuschung vorhanden bei mir. Es ist halt so, dass eine politische Bewegung gewisse Strategien für sich entwickelt und die dann auch umsetzt. Und das habe ich auch mitgetragen. Ob diese Strategie aufgegangen ist, werden wir dann am Wahlsonntag erfahren.“

Die steirischen Spitzenkandidaten zur EU-Wahl:

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