Prozess wegen Mordversuchs an Ex-Freundin

Wegen Mordversuchs an seiner Ex-Freundin hat sich am Dienstag ein 36-Jähriger in Graz vor Gericht verantwortet. Der Mann hatte die Frau vor den Augen der Polizisten mit einem Messer attackiert.

Bereits zwei Mal ist der Angeklagte vor der beinahe tödlichen Messerattacke gegenüber dem späteren Opfer gewalttätig geworden, zwei Mal war er auch weggewiesen worden. Als er sich am 16. Jänner trotz aufrechter Wegweisung wieder beim Wohnhaus seiner Ex-Freundin aufhielt, rief diese die Polizei.

Die Polizisten trafen im Hausflur auf den Deutschen, der seine Identität verleugnete. Die bedrohte Frau öffnete ihre Wohnungstüre, weil sie am Gang nur die Polizisten sah. Die Polizisten schafften es nicht, den Mann aufzuhalten, weil er ein Klappmesser in der Hand hielt.

Schwere Vorwürfe gegen Polizei

Mit dem Messer stach er in der Wohnung elf Mal auf seine Ex-Freundin ein und fügte ihr lebensgefährliche Verletzungen zu. Erst als der Angreifer von seinem Opfer abließ, gelang es den Polizisten, den Mann, der heftig um sich schlug, auf dem Boden zu halten. Die Frau konnte durch eine Notoperation im LKH Graz gerettet werden.

Später erhob sie schwere Vorwürfe gegen die Polizisten: Diese hätten nichts unternommen, um sie zu schützen. Sie überlege deshalb, die Republik wegen unterlassener Hilfeleistung zu klagen. Die Volksanwaltschaft sowie das Bundesamt zur Korruptionsprävention leiteten zusätzliche Ermittlungen ein - mehr dazu in Messerattacke vor Polizisten: Wien ermittelt (1.5.2017).

„Wollte ihr einen Denkzettel verpassen“

Davon abgesehen verantwortete sich am Dienstag der Ex-Freund der Frau vor den Geschworenen wegen Mordversuchs und zusätzlich wegen schwerer Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt, weil er auf die Polizisten und später auch noch auf Justizwachebeamte losgegangen war. In den Anklagepunkten Hausfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt und schwere Körperverletzung bekannte der Mann sich schuldig - nicht aber im Punkt Mordversuch.

„Ich hatte nicht die Absicht, sie schwer zu verletzten - ich wollte sie bestrafen und ihr einen Denkzettel verpassen“, so der Angeklagte. Gefasst und mit zu Boden gerichtetem Blick folgte er zunächst den Ausführungen von Staatsanwalt und Verteidiger, die aus dem bisherigen Leben des 36-Jährigen erzählten, dem eine schwere Persönlichkeitsstörung attestiert wird.

Angeklagter studierte Psychologie und Sozialarbeit

Der Mann studierte zunächst in Deutschland Psychologie, war selbst mehrmals wegen psychischer Probleme in stationärer Behandlung, begann in Graz an der FH Joanneum Sozialarbeit zu studieren und engagierte sich ehrenamtlich.

Im Frühjahr 2015 lernte er dann das spätere Opfer kennen - im Herbst wurde er zum ersten Mal weggewiesen. Danach führten die beiden - wie er sagt - eine offene Beziehung. Dass die Frau nun auch andere Männer traf, dürfte er laut Staatsanwalt „nicht verkraftet haben“.

„Ich wollte ein Kind mit ihr“

An den genauen Hergang der Messerattacke könne der Mann sich nicht erinnern. Auf die Frage der Richterin, was er gefühlt habe, als er sich mit dem Messer in der Hand näherte - vorbei an den Polizeibeamten - sagte er: „Ich hatte Angst.“ Doch: „Den Schmerz, den sie mir gegeben hat, wollte ich zurückgeben“, formulierte er es.

„Was wollten Sie überhaupt dort?“, fragte die Richterin. „Ich wollte ein Kind mit ihr“, so der Mann. „Am 16. Jänner um drei Uhr Nachmittag? Das hätten Sie schon 2015 haben können“, entgegnete die Richterin. Damals hätte die 26-Jährige gerne Nachwuchs mit ihrem Freund gehabt.

Handschellen wurden nicht abgenommen

Dem Mann wurden vor Gericht die Handschellen nicht abgenommen. Laut Richterin sei aggressives Verhalten nicht ausgeschlossen, nachdem er bereits mehrmals auf Polizei und Justizwachebeamte losgegangen sei. In diesem Punkt fühlte er sich schuldig, nicht jedoch im Vorwurf des Mordversuches. Laut Verteidigung würde auch die Art der Stichverletzungen vorwiegend an den Extremitäten gegen eine Mordabsicht sprechen.

„Habe gewusst, dass er mich umbringen will“

Am Dienstag wurde auch das Opfer einvernommen - auf ihren Wunsch in Abwesenheit des Angeklagten: „Als ich das Messer gesehen habe, habe ich gewusst, dass er mich umbringen will“, schilderte die 26-Jährige. Sie hatte versucht, mit den Händen Gesicht und Brust zu schützen, erlitt aber insgesamt elf Messerstiche. Zuletzt blieb das Messer in ihrer Hand stecken und wurde im Spital entfernt.

Die Ex-Freundin des Beschuldigten erzählte, dass die Beziehung von Mai bis September 2015 gedauert habe. „Dann hat er mich zusammengeschlagen und ich habe es beendet.“ Doch der Kontakt blieb, hin und wieder trafen sich die beiden und schickten SMS. „Es war eine sexuelle Beziehung“, räumte die Zeugin auf Befragung durch die Richterin ein.

Polizistin hielt Wunde zu

Am 16. Jänner 2017 läutete der Mann dann an ihrer Tür, doch sie machte nicht auf, sondern rief die Polizei. Als sie die Beamten sah, öffnete sie. Da hielt ihr noch immer anwesender Ex-Freund plötzlich ein Messer in der Hand, die Polizisten konnten ihn nicht festhalten. Die Frau flüchtete in die Küche, der Angeklagte lief ihr nach.

Plötzlich stand er vor ihr und sagte nach ihren Angaben ganz ruhig: „Das hast du davon, jetzt bring ich dich um.“ Die Frau versuchte, sich zu schützen, doch er stach elf Mal auf sie ein. Schließlich lag sie am Boden „und er hat sicher gedacht, dass ich tot bin“, so die Frau. Sie erinnerte sich außerdem noch daran, dass ihr eine Polizistin eine Wunde zugehalten habe.

Urteil am Mittwoch möglich

Nach Monaten habe sie immer noch Schmerzen, besonders in der Hand: „Die Narben schauen schrecklich aus, und ich habe Panikattacken“, so das Opfer. Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt. Sollte auf einige Zeugen verzichtet werden, könnte es bereits dann ein Urteil geben. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Einweisung in eine Anstalt geistig abnormer Rechtsbrecher.