Abschiebung in Passail vorerst auf Eis gelegt

Vorerst aufatmen kann eine Familie aus Syrien im Bezirk Weiz: Die Familie, die gut integriert in Passail lebt, hätte am Freitag abgeschoben werden sollen - die jesidische Familie kann vorerst aber bleiben.

2014 war Familie Rasho vor dem IS geflohen, der Mitglieder der religiösen Minderheit der Jesiden ermordete. Am Dienstag erfuhr sie per Bescheid, dass sie sich bis spätestens Freitag in der Bundesbetreuungsanstalt Fieberbrunn in Tirol einfinden muss. Die Begründung: Die Familie sei weder „sozial noch beruflich in Österreich verankert und auf Dauer nicht selbsterhaltungsfähig“, so das Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen.

„Bescheid entspricht nicht der Realität“

Genau hier hakt der Anwalt der Familie ein: Er wird ein Schreiben an die Behörde richten und den aktuellen Bescheid beeinspruchen, da er in einigen Punkten nicht der Realität entspricht - etwa wenn davon die Rede ist, dass die Familie weder sozial noch beruflich in Österreich verankert sei.

Bewohner zeigen sich mit Familie solidarisch

Die Behauptungen der Behörde rufen bei den Bewohnern von Passail Unverständnis hervor. Hans Knoll vom Verein „Miteinand im Almenland“, der die Familie betreut und auch einen Anwalt eingeschaltet hat, betont: „Hier ist der Verdacht, dass gröbste Fehler gemacht wurden, sehr groß. Es wurden in dem Bescheid Formulierungen verwendet, dass man keine Chance hat, hier selbstständig zu leben - und genau das Gegenteil ist der Fall.“

Der Verein will zudem ein privates Sprachgutachten in Auftrag geben, denn ein Hauptgrund für die Abschiebung soll sein, dass die Familie nicht beweisen kann, aus Syrien zu stammen, da sie als eine jesdische Hirtenfamilie keine Reisedokumente besitzt - ein Dolmetscher stufte sie nach ihrer Ankunft als Armenier ein.

Familie

Privat

Familie Rasho - hier mit dem Bescheid - blickt einer ungewissen Zukunft entgegen

Der 19 Jahre alte Sohn Saaid ist im zweiten Lehrjahr auf der Teichalm als Koch beschäftigt, verdient sein eigenes Geld und zahlt Steuern. Er kann nicht fassen, dass er sozial und beruflich nicht verankert sein soll und deshalb nicht bleiben darf: „Ich habe meine Ziele hier, meine Zukunft. Meine Freundin - sie ist auch Köchin. Wir haben gedacht, wenn wir unsere Lehren fertig haben, machen wir gemeinsam ein Restaurant auf. Das ist mein Ziel gewesen.“

Kein Lehrbeginn, aber Medaillen

Sein 18 Jahre alter Bruder Kheder wollte eine Lehre als Mechaniker beginnen. An der Wand des Zimmers, das er sich mit Saaid teilt, hängen drei Medaillen, die er bei einem internationalen Boxwettkampf gewonnen hat - er ist Mitglied in einem Weizer Verein: „Ich habe viele Freunde hier, auch Österreicher. Wir spielen Fußball miteinander. Ich wollte auch eine Lehre als Mechaniker beginnen - aber dann ist das Gesetz herausgekommen, dass wir das nicht dürfen.“

„Wie eine österreichische Familie auch“

Auch die Eltern helfen in der Gemeinde mit und hätten Aussicht auf eine Arbeitsstelle, erzählt Vater Aziz: „Wir leben schon vier Jahre in Österreich. Wir haben die Hoffnung, wenn wir hier bleiben, dass wir arbeiten, Steuern zahlen und eine Wohnung mieten - wie eine österreichische Familie auch. Wir hatten die Idee, einen Stall zu kaufen und Tiere - und dann Käse, Joghurt und Butter zu machen.“

Auch Anton Stockner würde Aziz sofort an seinem Pferdehof anstellen - „in dem Wissen, er ist motiviert, der beste Mitarbeiter, den sich Firmen nur wünschen können, wie man ihn sich nur wünschen kann, das beste Beispiel für gelungene Integration“, so Stockner.

„Wir haben kein eigenes Land“

Vor ihrer Flucht im Jahr 2014 haben die vier als Schafhirten in den Bergen in Nordostsyrien gelebt. Bei ihrer Ankunft in Österreich wurde die Familie - die der staatenlosen Minderheit der Jesiden angehört und keinen Pass besitzt - wegen ihres Dialektes als Armenier eingestuft. Auch im aktuellen Bescheid schenken die Behörden der Familie keinen Glauben, dass sie aus Syrien stammen.

Mutter Gazal Rasho erlitt nach dem Erhalt des Bescheids einen Kollaps und wird im Spital in Weiz behandelt. „Ich weiß nicht, was mit uns passiert. Wir sind Jesiden, haben kein eigenes Land. Überall haben wir unser Volk. Aber hier gefällt es uns, weil wir gleiche Rechte haben wie andere. Aber dort hatten wir nichts. Es war eine ganz schwierige Zeit“, sagt ihr Mann.

Die Zeit drängt

Bürgermeisterin Eva Karrer hat nun politische Stellen vom Landeshauptmann bis zum Bundespräsidenten um Hilfe gebeten: „Aziz hat sicher schon über 1.000 Arbeitsstunden für die Gemeinde geleistet. Wenn jemand notwendig war, haben unsere Arbeiter im Asylquartier gezielt nach ihm gefragt ob er helfen kann. Es wäre sehr, sehr schade, wenn diese Familie gehen müsste.“

Ansuchen auf humanitäres Bleiberecht

Auch die steirischen Grünen setzen sich dafür ein, dass die Familie in der Steiermark bleiben kann: Schon im Frühjahr startete die Partei eine Initiative im Landtag gegen die Abschiebung von Menschen in Ausbildung. Die Grüne Landtagsabgeordnete Lara Köck fordert, dass auch die Landespolitik „endlich Stellung beziehen und Rückgrat beweisen“ müsse: „Ich finde, es wäre an der Zeit, sich für diese Menschen einzusetzen. Sie haben ihren Teil der Abmachung erfüllt und haben sich integriert und sind Teil der steirischen Gesellschaft geworden“, so Köck am Freitag. Eine Möglichkeit wäre ein Ansuchen auf humanitäres Bleiberecht, da die Familie bereits das fünfte Jahr in Österreich ist.

„195 Personen mit negativem Asylbescheid“

Aus dem Büro von Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) verwies ein Sprecher darauf, dass die Zuständigkeit alleine beim Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen liegt. Auch was Bemühungen um ein humanitäres Bleiberecht betrifft, habe man in der Steiermark keine Handhabe. Generell droht vielen Flüchtlingsfamilien in der Steiermark demnächst die Abschiebung, mit Stand Freitag befinden sich laut Büro Kampus 195 Menschen mit rechtskräftig negativem Bescheid in der Grundversorgung.