Ein Jahr nach Stiwoll: Weiter keine Spur

Am 29. Oktober 2017 sind bei einem Nachbarschaftsstreit in Stiwoll zwei Menschen erschossen und ein weiterer schwer verletzt worden. Der Täter ist seither verschwunden, auch ein Jahr nach der Tat fehlt von ihm jede Spur.

Bei der internationalen Fahndung ist nach wie vor eine Belohnung von mehr als 5.000 Euro für Hinweise ausgelobt, die zur Festnahme des Steirers führen - genutzt hat dieser finanzielle Anreiz bisher allerdings nichts, denn seit dem 29. Oktober 2017 fehlt abgesehen von dem in einem Wald gefundenen Fluchtfahrzeug jede Spur von dem damals 66-Jährigen, so der Leiter der mittlerweile aufgelösten SoKo „Friedrich“, Rene Kornberger.

Fahndungsbilder

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Der gesuchte Mann

Die Sonderkommission suchte wochenlang nach dem Steirer, der für den Tod von zwei seiner Nachbarn verantwortlich sein dürfte: Er soll beide mit einem Kleinkalibergewehr erschossen und eine Frau schwer verletzt haben - mehr dazu in Stiwoll: Nach drei Monaten keine Spur vom Täter (26.1.2018).

Ermittlungen gehen weiter

Die Sonderkommission wurde zwar Ende Jänner aufgelöst, aber die Ermittlungen gehen weiter, und zwar bis der Verdächtige gefunden ist. Hinweisen wird weiterhin nachgegangen, und man hält mit Informanten und auch mit der Familie des Verdächtigen Kontakt. „Je länger es keinen gesicherten Aufenthalt gibt, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass der mutmaßliche Täter verstorben ist“, so der Ermittlungsleiter, eine Restwahrscheinlichkeit, dass er sich weiterhin versteckt, bleibe aber natürlich aufrecht.

Auffallend sei jedenfalls, dass der ansonsten sehr aktionistische Verdächtige seit dem Tag der Schüsse keine Äußerungen von sich gegeben hat: „Weder Brief noch E-Mail haben wir erhalten.“ Das spreche eher dafür, dass der Steirer nicht mehr lebt. Er selbst glaube aufgrund der Persönlichkeit des Verdächtigen, dass es dieser nicht ausgehalten hätte, seit seinem Verschwinden so lange still zu halten. Der Stiwoller habe eine Art Gerechtigkeitssinn gehabt, die ihn bei all den Geschichten über ihn in den Medien seither nicht hätte schweigen lassen. „Der muss bei so etwas ja explodieren“, so Kornberger. Er glaube auch nicht, dass er seine Flucht nach den Todesschüssen geplant habe.

„Wir haben nichts“

Einen ähnlichen Fall habe es in der Steiermark noch nicht gegeben, auch in Österreich wohl nicht. Natürlich mache man sich noch Gedanken über die Tat. „Man will ja als Ermittler auch die Gewissheit haben - einerseits über den genauen Tatablauf, und was hat er seither gemacht und wie. Das interessiert brennend, es wurlt in einem“, so Kornberger. „Mein Wunschgedanke ist, dass wir zum Jahrestag einen Anknüpfungspunkt bekommen, aber eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür gibt es nicht“, sagte Kornberger, „wir haben nichts, keine konkreten Hinweise, keine DNA, keine treffenden Bilder aus Wildkameras, nur Mutmaßungen.“

Der Doppelmord von Stiwoll

Indessen wird der damalige Großeinsatz - wie viele andere Einsätze - evaluiert. Kornberger ist darin zwar nicht eingebunden, aber für sich persönlich gewann der Ermittlungsleiter einen positiven Eindruck: „Die Amtshandlung war in Summe eine große Herausforderung. Mir ist kein ähnlicher Fall mit derart großem Personaleinsatz und Engagement bekannt. Es wurden keine Überlegungen gescheut. Wir haben alle technischen Hilfsmittel wie etwa Drohnen ausgeschöpft. Vom Innenministerium gab es zusätzliche Mittel für die DNA-Überprüfungen. Ich wüsste daher nicht, was man bei der Fahndung noch hätte verbessern können.“

Die Fahndung selbst ist auch nach einem Jahr nach wie vor aufrecht, das Verfahren gegen den damals 66-Jährigen wurde mittlerweile aber abgebrochen. „Das ist üblich, wenn jemand permanent nicht greifbar ist“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Christian Kroschl. Sollte sich etwas Neues ergeben, könne das Verfahren jederzeit wieder aufgenommen werden.

„Ein komplettes Schockerlebnis“

Anlässlich des Jahrestags könnten in der beschaulichen Gemeinde Stiwoll wieder die Emotionen hochkommen, fürchtet Ermittler Kornberger: „Ich hoffe, der Ort kommt endlich zur Ruhe und zu einem normalen Tagesablauf. Die Bevölkerung sollte nicht permanent mit der Tragödie konfrontiert werden.“ Für Stiwolls Bürgermeister Alfred Brettenthaler (ÖVP) hat sich das Leben ein Jahr nach der Bluttat in der 726-Einwohner-Gemeinde aber wieder normalisiert, obwohl „das für mich damals ein komplettes Schockerlebnis gewesen ist“.

„Es wird wieder gelacht“

Nach der Tat ging es für die Menschen um das Zurückfinden in die normalen Abläufe: „Ich bin überzeugt, das ist uns gut gelungen. Ich bin ein positiv denkender Mensch.“ Auf die Frage, ob die Menschen im Ort nach der Bluttat stärker zusammengerückt sind, sagt Brettenthaler: „Das war nicht nötig, wir sind schon vorher zusammengestanden. Wir haben ein starkes und intensives Vereinsleben, das hat sich bewährt.“ Eigentlich sei man schon Anfang Dezember mit der Christbaum- und Adventkranzsegnung wieder im gesellschaftlichen Leben gewesen, so Brettenthaler, „und es wird wieder gelacht, am Dorfplatz, nach dem Gottesdienst“.

Stiwoll Gemeindeamt

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Die Frau des Verdächtigen, die nach den Todesschüssen kurzfristig den Ort verlassen hatte, ist mittlerweile zurückgekehrt - sie lebe aber sehr zurückgezogen und nehme zum Beispiel am Vereinsleben nicht teil. Die Angehörigen der Opfer besuche er hin und wieder wie andere Einwohner auch: „Nicht unter der Prämisse, dass ich zum Reden über die Tat komme. Wenn ich am Weg bin, schaue ich vorbei“, sagte Brettenthaler.

„Die Zeit ist zu schön, um darüber zu reden“

Unklar ist, ob der Täter noch am Leben ist: „Ich habe gelernt, mit der Frage umzugehen. Es gibt alle Möglichkeiten. Das Thema ist so intensiv behandelt worden, ich denke, jede weitere Minute, die man sich darüber unterhält, ist schade. Die Zeit des Lebens, des Sommerfests, des Erntedanks, ist zu schön, um darüber zu reden. Das ist mein persönliches Empfinden“, sagte Brettenthaler. Eine eigene Gedenkveranstaltung werde es nicht geben, sagte der Bürgermeister. „Der 29. Oktober wird ein ruhiger Tag in Stiwoll.“