NEOS-Kritik an Gutachter-Misere

Wenn psychiatrische Gerichtsgutachter Gutachten am laufenden Band produzieren, kann die Qualität nicht stimmen - das kritisiert NEOS. Einzelne Psychiater schreiben pro Jahr mehr als 150 Gerichtsgutachten, Rekordhalter ist ein Grazer Psychiater mit exakt 365 Gutachten im Jahr 2014.

Ein psychiatrisches Gerichtsgutachten pro Tag schafft der Grazer Psychiater Manfred Walzl - das geht aus der Anfragebeantwortung des Justizministeriums an die NEOS-Abgeordnete Beate Meinl-Reisinger hervor - oder wie sie formuliert: „Das sind eineinhalb Gutachten pro Arbeitstag, und die Frage der Qualität stellt sich.“

Ein Gutachten pro Tag

Wobei Gutachter Walzl hauptberuflich Uni-Professor ist, und er ist nicht der einzige, der viele Gutachten macht: Vier Psychiater nahmen im Jahr 2014 jeweils mehr als 150 Gutachtens-Aufträge an. Bei den Psychologen sind die Zahlen nicht ganz so hoch, aber die fünf meistbestellten Gutachter teilen sich zwei Drittel der Aufträge. „Das heißt, es gibt wenige Gutachter, und die Qualität kann nicht gut sein, wenn ich so viele Gutachten hinausschieße“, so Meinl-Reisinger.

Walzl: „Arbeite sorgfältig“

Der Grazer Psychiater Walzl will den Vorwurf für sich nicht gelten lassen: Seinen Aufzeichnungen zufolge habe er nicht ganz so viele Gutachten gemacht, aber jedenfalls arbeite er sorgfältig. Eine Kleinigkeit etwa sei es zu prüfen, ob ein Ladendieb so betrunken war, dass er nicht mehr als zurechnungsfähig zu werten ist.

NEOS fordert Qualitätskriterien

NEOS kritisiert, teils würden Gutachten nur auf Basis von Akteninformationen erstellt - praktisch ohne Gespräch mit den Betroffenen; laut einer Studie der Uni Ulm würden Gutachten in Österreich oft nicht wissenschaftlichen Standards entsprechen. NEOS fordert stichprobenartige Kontrollen der Gutachten - etwa durch deutsche Gutachter - und klare Qualitätskriterien.

Justiz will Anreize für mehr Gutachter schaffen

Justiz-Sektionsschef Georg Kathrein meint dazu, dass man nicht aus der Anzahl der Gutachten pro Psychiater automatisch auf die Qualität schließen könnte, zweifelsohne aber gebe es zu wenige psychiatrische Gutachter. Zuletzt ist versucht worden, Anreize durch bessere Bezahlung für ihre Gutachten zu schaffen - offenbar gingen der Ärztekammer die Vorschläge nicht weit genug, denn bei den Verhandlungen konnte bisher keine Einigung erzielt werden.