Schauspielhaus: Ein „Weltepos“ zum Auftakt

Das Grazer Schauspielhaus zeigt als erste Premiere unter der neuen Intendantin Iris Laufenberg „Merlin oder Das wüste Land“ von Tankred Dorst. Dabei kommen neben Schauspielern Puppen von Michael Pietsch zum Einsatz.

Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 14.9.2015

„Merlin“ wurde 1981 in Düsseldorf uraufgeführt, drei Jahre später gab es im Wiener Volkstheater eine viel beachtete Aufführung mit Karl Merkatz in der Titelrolle, musikalisch umrahmt von den „Schmetterlingen“ - dabei ist das Werk so umfangreich, dass eine ungestrichene Aufführung rund 15 Stunden dauern würde.

97 Szenen zwischen Krieg und Liebe

Das Werk verknüpft nicht nur unterschiedliche Erzählungen der Artusgeschichte, sondern geht auch formal weit über ein Drama hinaus: Tankred Dorst zeigt Anfang und Ende einer Zivilisation. In das Nichts hinein wird Merlin geboren, vom Teufel mit einer frommen Hure gezeugt, um die Menschen zu verführen; insgesamt 97 Szenen beschäftigen sich dann mit Religion, Krieg, alten Mythen und immer wieder mit Liebe.

Eine Sammlung von Möglichkeiten

Artus und Ginevra, Ginevra und Lanzelot - diese Konstellationen kennt man aus der Artusgeschichte - aber Dorst lässt auch Ginevra einen Briefverkehr mit Isolde führen, wo sich diese über Tristan und ihre unglückliche Liebe ausbreitet. Viele Szenen sind eher romanartig, Songtexte werden eingefügt, alles in allem eher eine Sammlung von Möglichkeiten als ein fixer Stücktext, von dem es nur ein kleiner Teil bis auf die Bühne schafft.

Schauspielhaus Graz - Merlin

Schauspielhaus Graz

Die neue Intendantin bezeichnete das Werk als „Weltepos“.

Die neue Grazer Intendantin Iris Laufenberg schreckt vor dem monumentalen Werk nicht zurück: „Die Beschäftigung mit zeitgenössischen Autoren ist einer unserer programmatischen Schwerpunkte am Schauspielhaus Graz, neben der Pflege des klassischen Repertoires. Tankred Dorst und Ursula Ehler sind für mich persönlich wichtige Künstler und Menschen - mit ‚Merlin oder Das wüste Land‘ haben sie ein Weltepos geschaffen, das bereits in weit mehr als 100 Ländern inszeniert worden ist - aber noch nicht in Graz. Grund genug, oder?“, meinte sie.

„Mehr ist mehr“

In Graz kommen neben Schauspielern auch Puppen von Michael Pietsch zum Einsatz, denn, so Laufenberg, „mehr ist mehr“. Dass die Puppen das Ganze auf eine zu harmlose Ebene bringen könnten, befürchtet die Intendantin nicht: „Michael Pietschs Puppen machen in der Regie Jan-Christoph Gockels zusammen mit dem Ensemble einen weiteren Kosmos auf, und da ist mehr mehr.“

"Merlin"

ORF.at

Erweiterung des Kosmos

Tankred Dorsts, der im Dezember seinen 90. Geburtstag feiert, sagte auf die Frage, worin die Relevanz des Themas für die heutige Zeit liege: „An der Oberfläche sind das Rittergeschichten, Abenteuergeschichten, Geschichten von vergeblichen Anstrengungen. Themen, die uns heute nicht fremd sind. Parzival wirkt für viele wie eine Figur aus einer anderen Zeit, mit anderen Idealen. Er wächst im Wald mit seiner Mutter auf, ohne weiteren menschlichen Kontakt. Von dem Moment an, als er auf Ritter trifft, ist er begierig, mehr zu wissen, seinen Kosmos zu erweitern.“

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