Brexit: Betroffenheit in Wirtschaft und Politik

Von einem „traurigen Tag für Europa“ spricht Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk, seit klar ist, dass die Briten aus der EU aussteigen. Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer ruft die EU zum Umdenken auf.

Die Briten haben am Donnerstag mit 51,9 Prozent für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt, der britische Premier David Cameron hat daraufhin seinen Rücktritt erklärt, die Börsen krachen - mehr dazu in „Brexit“: Cameron tritt als Premier zurück (news.ORF.at).

Josef Herk mit erhobenen Händen

APA/Elmar Gubisch

Herk: „Es darf nur eine Seite geben: Die Seite der Vernunft.“

„Trauriger Tag für Europa“

Auch in der Steiermark hat das Abstimmungsergebnis der Briten Bestürzung ausgelöst. Die Wirtschaft hatte bereits im Vorfeld der Abstimmung ihre Bedenken zu einem möglichen Brexit geäußert - mehr dazu in Brexit würde auch steirische Wirtschaft treffen (23.6.2016).

Dementsprechend spricht der Präsident der steirischen Wirtschaftskammer, Josef Herk, auch von einem „traurigen Tag für Europa“. Jetzt gehe es um Schadensbegrenzung, indem Sinne, dass „keine neuen Handelshemmnisse aufgebaut werden.“ Herk appelliert daher an die politisch Verantwortlichen jetzt die richtigen Konsequenzen zu ziehen: „In der europäischen Frage kann und darf es nämlich nur eine Seite geben: die Seite der Vernunft. Und diese müssen wir den Menschen wieder besser vermitteln, anstatt dieses so wichtige Projekt der europäischen Einheit den Populisten zu überlassen.“

ÖVP: „Mahnung an uns alle“

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) spricht von einem erheblichen Schaden und einem schweren Rückschlag für das Europa der Union: "Als Negativbeispiele nenne ich das Totalversagen der EU in der Frage der Flüchtlinge oder aber die überbordende Bürokratie. Es gilt entschlossen und besonnen zu handeln, damit nicht jene Extrempositionen endgültig Oberwasser bekommen, die Europas Zukunft nur schaden und aufs Spiel setzen.“

Hermann Schützenhöfer Landeshauptmann

APA/Erwin Scheriau

Schützenhöfer: „Es gilt, entschlossen zu handeln.“

Auch Europa- und Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann (ÖVP) sieht das Votum als Schuss vor den Bug und die Verantwortungsträger und Mitgliedsstaaten gefordert: „Wir müssen der Bevölkerung die Vorzüge der EU besser kommunizieren. Gleichzeitig müssen wir an den Schwächen, die zweifellos bestehen, arbeiten. Denn eines ist klar: Es gibt keine Alternative zum gemeinsamen Europa.“

Denn die EU-Mitgliedschaft habe auch der Steiermark Vorteile gebracht: „Seit 1995 sind über 2,5 Milliarden Euro von Brüssel in die Steiermark geflossen. Mit diesen Mitteln konnten zahlreiche Projekte in der Wirtschaft, der Wissenschaft, im Tourismus, aber auch in der Kultur, der ländlichen Entwicklung oder im Sozialbereich unterstützt werden. Seit dem EU-Beitritt sind in der Steiermark rund 80.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden."

Michael Schickhofer "im Zentrum"

ORF

Schickhofer: „Wir müssen Europa neu denken“

SPÖ: „EU muss sich ändern“

Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer (SPÖ) sagt, man müsse das Ergebnis des Votums zwar akzeptieren, fordert aber ein Umdenken in der EU: „Wir müssen Europa neu denken. Und die EU muss sich schnell ändern. Die Sorgen der Menschen wie die Flüchtlingsfrage müssen in den Mittelpunkt rücken.“ Denn viele würden sich laut Schickhofer von der EU im Stich gelassen fühlen: „Der Bürokratiewahnsinn muss sofort aufhören. Auch der ländliche Raum fühlt sich im Stich gelassen. Wir müssen außerdem hin zu einem Europa mit sozialen Standards.“

KPÖ: „In heutiger Form keine Zukunft“

Kritischer die steirische KPÖ, die das Votum der Briten begrüßt. Die EU sei nicht das „viel gepriesene Europa der Demokratie“, heißt es in einer Aussendung, sondern ein „Europa der Banken und Konzerne.“ Die Kluft zwischen der Bevölkerung und den Wirtschaftseliten werde immer größer, weshalb die EU „in ihrer jetzigen Form keine Zukunft mehr“ habe. Daher dürfe nach Ansicht der KPÖ die „Option auf einen Austritt aus EU und Euro kein Tabu sein“.

Landesregierung in Brüssel

Die steirische Landesregierung will indessen ein Zeichen setzen und kommende Woche als erste Regierung Österreichs eine Regierungssitzung in Brüssel abhalten. "Die Regierungssitzung in Brüssel ist ein Signal, dass wir eine starke Region sind, die ein starkes gemeinsames Europa will“, sagt Europalandesrat Buchmann. Eher verhalten fielen die ersten Reaktionen aus der EU aus - mehr dazu in EU-Aufruf zu Geschlossenheit (news.ORF.at).