Das war Tag sechs im Amokfahrerprozess

Am Dienstag ist am Grazer Straflandesgericht der Amokfahrerprozess fortgesetzt worden. Am sechsten Verhandlungstag sagte auch die Ex-Frau des 27-Jährigen aus: „Meine Aussage ist, dass er alles nur spielt.“

Liveticker aus dem Gerichtssaal

steiermark.ORF.at berichtete via Liveticker direkt aus dem Gerichtssaal: Das war Tag sechs im Grazer Amokfahrerprozess

Bevor die Ex-Frau des Amokfahrers aussagten, waren noch Zeugen der Amokfahrt am Wort - zunächst ein Mann, der am 20. Juni 2015 mit seiner Familie radelnd unterwegs war: Er wurde ebenso wie sein Sohn von dem Auto erfasst und schwer verletzt.

Die Frau schilderte, wie sie zwischen den beiden Schwerverletzten hin- und hergerannt war: „Ich habe gedacht, mein Mann ist sowieso tot“, erzählte sie, er lag bewegungslos in einer Blutlache, sie stellte den einen Sohn hin, „damit er auf den Papa aufpasst“. Der andere Bub hatte schwerste Kieferverletzungen, ein Bein stand vom Körper ab. „Alle haben geschrien, ich soll ihn nicht angreifen, sonst ist er querschnittgelähmt.“ Die Mutter hatte aber Angst, dass ihr Kind am Blut erstickt, und drehte den Kleinen auf die Seite.

„Für mich war das ein Mordanschlag“

Beide Verletzten überlebten, der Vater geht heute noch auf Krücken, der Bub - er wurde abgesondert in einem Nebenzimmer des Gerichtssaals befragt - wirkte wieder recht munter. Er konnte sich an den Vorfall selbst nicht erinnern, schilderte nur, wie er lange im Krankenhaus liegen musste: „Mir war fad und ich hatte Schmerzen.“ Sein Vater beschrieb, wie der tonnenschwere Wagen direkt auf die Familie zuraste: „Für mich war das ein Mordanschlag.“

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Eine andere Zeugin schilderte, wie überall verletzte Menschen in der Herrengasse und am Hauptplatz lagen: „Es war die Hölle, ein Bild des Grauens.“

Ex-Frau: „Er lügt“

Anschließend wurde die Ex-Frau des Amokfahrers in den Zeugenstand gerufen, und unter Tränen sagte sich sofort: „Meine Aussage ist, dass er alles nur spielt. Das ist ein Machospiel, er hat mich geschlagen, auch als ich schwanger war.“ Das Gericht fragte, ob der Amokfahrer nun Moslem oder Christ sei? „Er lügt“, sagte die Ex-Frau: In der Geburtsurkunde der Kinder stehe Moslem.

Den weißen Anzug kenne sie nicht, der Amokfahrer habe nie vorher einen weißen Anzug getragen, der Hochzeitsanzug sei schwarz gewesen. Er habe sie auch gezwungen, Burka und Kopftuch zu tragen, sagte die Frau, und er habe mehrere Frauen haben wollen.

Unter Cannabis-Einfluss aggressiv

Der 27-Jährige habe täglich Cannabis konsumiert und wurde dann aggressiv, beschrieb die Ex-Frau detailliert, aber unter Weinkrämpfen, er hatte zehn Cannabis-Pflanzen im Hausgang, die mit einer Lampe beleuchtet worden seien. Immer, wenn er Cannabis nahm, habe er sich verfolgt gefühlt, Marsmenschen und Türken würden ihn verfolgen; mehrmals sei er mit einer Machete in der Tasche nach Graz gefahren und dort den ganzen Tag Straßenbahn gefahren.

Er habe ihr, so die Ex-Frau, den Kontakt zu ihren Eltern verboten, und seine Eltern wiederum hätten ihre Eltern sowie sie „mit dem Tod bedroht, und dass sie mir meine Kinder wegnehmen. Sie sind alle drei schlechte Menschen“.

„Sie will mich nur anschwärzen“

Mit den Aussagen seiner Ex-Frau konfrontiert, leugnete der 27-Jährige: „Sie ist nie geschlagen worden, sie hat mich nie geliebt. Sie will mich nur anschwärzen.“ Die Verletzungen und Würgemale, die bei der Frau im Frauenhaus festgestellt wurden, habe sie sich selbst zugefügt oder bei einem Sturz erlitten, meinte er. Auf die Frage, warum sie das tun solle, sagte der Amokfahrer: „Sie will das Kindergeld, sie will, dass ich nicht rauskomme. Wenn ich rauskomme, dann will ich das Sorgerecht für die Kinder. Sie ist schwer traumatisiert.“

„Ruhig und kooperativ“

Befragt wurden dann noch Ärzte aus der Justizanstalt Göllersdorf, wo der 27-Jährige einige Zeit war. Dort hatte man ihm Medikamente gegen Schizophrenie verabreicht, ohne eine Untersuchung durchzuführen; man habe keinen Grund gesehen, die Diagnose des Grazer Krankenhauses - wo er zuvor war - in Zweifel zu stellen, erklärte einer der Ärzte, der 27-Jährige sei „ruhig, eher passiv, aber kooperativ“ gewesen.

Spielt der Amokfahrer? „Es ist möglich“

Ein Psychiater der Justizanstalt Graz-Jakomini, der den Amokfahrer laut eigenen Angaben 20 Mal gesehen hat, erzählte dann am Nachmittag von einigen wenigen Wutausbrüchen des Amokfahrers in der Justizanstalt, vier Beamte hätten ihn einmal bändigen müssen, weil dieser aufgrund einer ärztlichen Untersuchung seine Zigarette nicht fertig rauchen durfte - paranoide halluzinatorische Symptome hätte er aber keine erkennen können. Auf die Frage, ob das alles gespielt sein könnte, meinte dieser Arzt: Möglich sei es, er könne sich das vorstellen.

Es gibt kein Seelenröntgen"

Ein Arzt der ehemaligen Sigmund-Freud-Klinik, der den Amokfahrer auch behandelt hatte, meinte hingegen, das könne man nicht spielen; die ganze Familie des 27-Jährigen sei von einem paranoiden System erfasst, auch die Mutter soll immer wieder Verfolgungsgedanken äußern. Ein Gerichtspsychiater meinte wiederum, es gebe kein Seelenröntgen, mit dem man in einen Menschen hineinschauen könne, vieles müsse man glauben, was die Betroffenen einem erzählen.