Alexander Van der Bellen: „Habe keine Angst“

Zum letzten Mal vor dem Wahlgang hat Radio Steiermark die beiden Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen zum Interview gebeten. Als zweiter Kandidat stand nun Van der Bellen Rede und Antwort.

Alexander Van der Bellen im Radiostudio

ORF/Thomas Riha

Kandidat Alexander Van der Bellen

Für den von den Grünen unterstützten Präsidentschaftskandidaten ist die Steiermark bei der Stichwahl im Mai ein harter Boden gewesen - über einen Stimmenanteil von 44 Prozent kam Alexander Van der Bellen nicht hinaus - mehr dazu in Hofburg-Wahl: So haben die Steirer gewählt (24.5.2016). Vor allem in der Ost- und Weststeiermark haben die Wähler doppelt so oft Norbert Hofer angekreuzt. Van der Bellen hat deshalb den ländlichen Regionen im Wahlkampf besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Alexander Van der Bellen: Wir brauchen in Österreich eine Stärkung der Regionen, der ländlichen Regionen außerhalb der Landesstädte. Ich würde mir vorstellen, dass ich als Bundespräsident regelmäßig Kontakt mit den Bürgermeistern einer bestimmten Region aufnehme und Bürgermeisterkonferenzen mache - die haben nämlich das Ohr sozusagen an der Bevölkerung.

Radio Steiermark: Sagen Sie das jetzt auch in Hinblick auf die Defizite, die die erste Stichwahl gezeigt hat? Ich gehe in die Steiermark - da gibt es im Wahlkreis Weststeiermark und Oststeiermark die Situation, dass Hofer ungefähr doppelt so viele Stimmen erreicht hat wie Sie.

Van der Bellen: Natürlich. Das war schon beunruhigend, warum ich in bestimmten Regionen so wenig Zustimmung habe. Und ich glaube, da schwingt ein Klischee mit: Das ist der intellektuelle Städter, der sich für’s Land nicht interessiert.

Radio Steiermark: Bleiben wir bei der Steiermark. Graz hat für Sie ein gutes Ergebnis gebracht, aber kein sehr gutes angesichts der Tatsache, dass Graz ja schon eine grüne Vizebürgermeisterin gehabt hat.

Van der Bellen: Ja, aber das hat eine ganz geringe Rolle gespielt. Mein ganzer Wahlkampf ist ja auf Überparteilichkeit ausgerichtet - und das mit Erfolg.

Radio Steiermark: Ich meine ja, das wäre ein guter Boden für Sie, wie man salopp formuliert sagen könnte.

Van der Bellen: Natürlich, alle Landeshauptstädte sind ein guter Boden. Und nicht nur die großen, sondern auch die kleinen: Ich hatte auch in Eisenstadt eine klare Mehrheit.

Radio Steiermark: Was halten Sie eigentlich von der Usance aktiver Spitzenpolitiker, die ankündigen, wen sie wählen werden, gleichzeitig aber hinzufügen, dass sei keine Wahlempfehlung - im Wissen, dass es doch eine ist. Fördert das nicht die Politikverdrossenheit?

Van der Bellen: Ich glaube nicht, dass das die Politikverdrossenheit fördert. Es ist eher ein Indiz dafür. Was machen Sie denn als Spitzenpolitiker einer Partei, wenn Sie genau wissen, dass innerhalb ihrer Partei die Meinungen auseinandergehen. Das ist wirklich eine schwierige Situation.

Radio Steiermark: Herr Prof. Van der Bellen, der Meinungsforscher Peter Hajek hat gemeint, ein wesentliches Wahlmotiv sei bei der ersten Stichwahl auch gewesen, dass Menschen einen starken Präsidenten wollen; jetzt nicht im Sinn von „Diktator“, aber einen starken Präsidenten. Sie beide - nämlich Sie und Norbert Hofer - sagen, Sie wollen ein Präsident für alle Österreicher sein und durchaus maßvoll und mäßig reagieren. Werden da die Erwartungen der Wählerinnen und Wähler enttäuscht?

Van der Bellen: Nein, das glaube ich nicht. Es ist in der Tat, glaube ich, Rolle des Bundespräsidenten, unter anderem Zuversicht auszustrahlen, Optimismus - allen Österreicherinnen und Österreichern zu sagen: Ja, wir stehen vor großen Herausforderungen; namentlich: Die Arbeitslosigkeit ist zu hoch. Aber wir werden das schon schaffen, wie wir es in der Vergangenheit auch geschafft haben. Also da sehe ich eine wichtige Rolle des Bundespräsidenten.

Radio Steiermark: Haben Sie keine Angst vor dem, also der Formulierung „Wir werden das schon schaffen“?

Van der Bellen: Nein, da habe ich keine Angst, das ist eine Formulierung, die Zuversicht und Mut ausstrahlt - ja, ja, ich weiß schon, was Sie meinen, die Aussage von Frau Merkel. Umgekehrt hat Herr Hofer ja mehrfach angekündigt, die Bundesregierung entlassen zu wollen. Das verkörpert nicht den starken Mann, das ist die Ankündigung der Herbeiführung einer Staatskrise. Wenn Herr Hofer sagt - und ich nehme ihn sehr ernst -, er hätte im letzten Herbst bei der großen Flüchtlingswelle die Bundesregierung entlassen, ja, was ist dann? Dann haben wir keine Bundesregierung, er muss eine neue ernennen ...

Radio Steiermark: Bei der letzten gemeinsamen Diskussion hat Hofer das etwas zurückgenommen bzw. nicht in diesen klaren Worten gesagt, wie Sie es jetzt machen ...

Van der Bellen: Ist eh okay. Aber da möchte ich ergänzen, dass Herr Hofer seine Meinung halt wechselt, wie das Fähnchen halt weht. Er kommt schon drauf: Das war zu scharf. Dann nimmt er es halt wieder zurück, lenkt ab usw. Das ist auch etwas, was die Menschen wahrnehmen müssen und sollen.

Radio Steiermark: Häufig ist von einer Richtungsentscheidung, einer Richtungswahl, die Rede. Sie selbst sprechen auch davon. Ist dieser Ausdruck nicht etwas überzogen angesichts der Tatsache, dass der Bundespräsident nur wenig politische Entscheidungskompetenz hat?

Van der Bellen: Da haben Sie schon recht, dass der Bundespräsident in diesem Dreieck - Bundespräsident, Bundesregierung, Parlament - nicht der stärkste ist, das ist in meinen Augen auch in Ordnung. Aber lügen wir uns auch nicht in die eigene Tasche: In ganz Europa wird diese Wahl als Richtungswahl wahrgenommen: Bleibt Österreich verlässliches Mitglied der Europäischen Union, vertraut Österreich auf die Stärke dieses vereinten Europa - oder ist es der erste Dominostein, der auszubrechen droht?

Radio Steiermark: Ich habe jetzt noch zwei hypothetische Fragen: Gesetzt den Fall, Sie säßen hier an meiner Stelle, welche Frage würden Sie an Alexander Van der Bellen richten?

Van der Bellen: (lacht) Oh, das ist aber schwierig. Ich beneide Sie nicht, der Sie sich jetzt neue Fragen ausdenken müssen nach einem Jahr Wahlkampf. (lacht, denkt nach und schweigt)

Radio Steiermark: Gesetzt den Fall, Sie könnten auf einen Neustart-Knopf drücken und der Wahlkampf beginnt neu: Was würden Sie anders machen?

Van der Bellen: Eigentlich nicht viel. Ich habe mich ja damals, vor einem Jahr, drei Dinge gefragt: Kann ich das? - Ja. Will ich das? - Ja. Habe ich eine Chance zu gewinnen? - Ja, ich habe eine Chance.

Radio Steiermark: Ist das Ja bei allen drei Fragen geblieben?

Van der Bellen: Bei allen drei Fragen ist das Ja geblieben. Was ich unterschätzt habe, ist die - wie soll ich sagen - die rhetorische Fähigkeit von Norbert Hofer, einer Frage auszuweichen. Er beherrscht alle Techniken wirklich hervorragend, eine Frage nicht zu beantworten und zu einem anderen Thema zu kommen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das ist auch eine Kunst. Sie macht es nur dem Gegenüber sehr schwer, in ein Gespräch zu kommen, wenn nicht unmöglich.

Das Gespräch führte Günter Encic, Radio Steiermark

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