Radikalisierung: Religion eher selten Motiv

Nach Terroranschlägen wird oft über die Gefahren einer salafistischen Radikalisierung diskutiert. Laut Präventionsexperten, die zurzeit in Graz tagen, gebe es aber ein ganzes Motivbündel - Religion sei selten darunter.

Zigtausende Menschen klickten ein YouTube-Video von Pierre Vogel an, in dem der deutsche Salafistenprediger den Islam in 30 Sekunden erklärt. In dieser starken - und damit verzerrenden - Vereinfachung liege die große Gefahr für eine Radikalisierung, sagt Irmtraud Eckart von der deutschen Präventionsorganisation ufuq.de: „Jugendliche in einer bestimmten Phase ihres Lebens sind eben sehr ansprechbar für klare und eindeutige Vorgaben. Das ist unabhängig von der Familiengeschichte und unabhängig von der Religionszugehörigkeit.“

Eckart weiß aus ihren Erfahrungen, aber auch aus der Forschung, dass Jugendliche einfache Antworten vor allem in jenen Phasen suchen, in denen es Konflikte und biografische Brüche gab.

„Triebfeder meist im Umfeld“

Der Islamwissenschaftler Kaan Mustafa Orhon leitet in Bonn eine Beratungsstelle für Angehörige, deren Kinder radikalisiert werden oder bereits worden sind. Orhon sagt, fast nie führten rein religiöse Gründe in die Radikalisierung: „In der Regel ist das irgendein Konflikt, der im familiären Umfeld aufgebrochen ist oder sonst im Umfeld des Jugendlichen. Ich selber kann aus den Erfahrungen meiner zweieinhalbjährigen Beratungstätigkeit sagen, ich habe erst einmal eine genuin religiöse Anfrage gehabt - ansonsten haben wir tatsächlich sehr, sehr wenig Jugendliche, die erkennbar eine religiöse Triebfeder hatten für ihre Radikalisierung.“

Diese Erkenntnisse über die vielfältigen Auslösersituationen für Radikalisierung lassen den Organisator des Präventionskongresses, den Grazer Günther Ebenschweiger, neue Strategien fordern.

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