Pflege: Arbeitgeber sehen „Kampfrhetorik“

Auf den Abbruch der Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialwirtschaft ist mit einem zweitägigen Streik reagiert worden. Die Arbeitnehmer fordern mehr Geld und eine Verkürzung der Arbeitszeit - Forderungen, die auf Arbeitgeberseite gar nicht gut ankommen.

Die österreichweiten Verhandlungen wurden am Montag nach einem 15-stündigen Verhandlungsmarathon abgebrochen: Laut der Gewerkschaft vida sei man von Arbeitgeberseite nicht auf die zentralen Forderungen nach einer fairen Lohn- und Gehaltserhöhung, einer Besserstellung für Pflegeberufe und einer Arbeitszeitverkürzung eingegangen - mehr dazu in Sozialwirtschaft: Gewerkschaft kündigt Warnstreiks an (news.ORF.at).

Die Verhandlungen betreffen auch 20.000 steirische Beschäftigte in der Sozialwirtschaft – also in Pflegeheimen, der Behindertenbetreuung oder der mobilen Pflege.

„Kollegen rinnt Schweiß über den Rücken“

„Wie wichtig es ist, jemanden zu haben, der einen pflegt, wenn man alt oder krank ist, kann sich jeder vorstellen. Wie hart diese Arbeit ist, das wissen viele nicht“, sagt etwa Anton Lamprecht, Betriebsrat im Odilieninstitut in Graz: „Verbringen sie einmal acht oder zwölf Stunden in einem Pflegeheim. Den Kollegen rinnt um 10.00 Uhr am Vormittag der Schweiß über den Rücken - das ist nicht lustig, wenn ständig die Glocke läutet, man an drei Stellen gleichzeitig sein soll und für das Gehalt diese Arbeit macht“, schildert Lamprecht die Situation.

Er spricht von 1.000 bis 1.200 Euro netto, die die Mitarbeiter im Schnitt für eine 70-Prozent-Beschäftigung bekämen. Ein Vollzeitjob sei für die Wenigsten möglich, denn die Arbeit sei so anstrengend, dass eine Vollbeschäftigung zu viel sei.

Mehr Betreuung in der gleichen Zeit

Deshalb fordere man auch eine schrittweise Arbeitszeitreduktion auf 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich, so Monika Fließer, Betriebsrätin bei der Lebenshilfe: „Es ist so, dass sowohl in der Pflege als auch in der Behindertenarbeit die Kollegen immer mehr Patienten und Menschen mit Behinderung betreuen müssen“, so Fließer. Das heiße mehr Kunden in der gleichen Zeit, mehr Betreuung und mehr Dokumentation.

Aber auch zusätzliche neue Aufgaben würden nicht entsprechend entlohnt, so Lamprecht: Bei der neuen Ausbildung zur „Pflegeassistenz“ beispielsweise bekämen die Arbeitskräfte mehr Verantwortung übertragen und müssten eine längere Ausbildung absolvieren - zur gleichen Bezahlung.

„Sicher nicht Billigstlohnbereich“

Wallerich Berger ist Geschäftsführer von Jugend am Werk in der Steiermark und sitzt mit am Verhandlungstisch. Er zeigt zwar Verständnis dafür, dass viele empfinden, zu wenig zu verdienen, aber „wenn wir die Einkommen in Österreich vergleichen, dann ist die Sozial- und Gesundheitsbranche sicher nicht der Billigstlohnbereich. Jedenfalls ein Problem ist, dass viele Mitarbeiterinnen in unserer Branche nur Teilzeit arbeiten und daher nur ein geringes Nettoeinkommen haben.“

Kürzere Arbeitszeiten: „Völlig falsche Branche“

Die Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten wertet Berger gerade in dieser Branche als völlig falsch: „Im Sozial- und Gesundheitsbereich gibt es de facto keine Automatisierung oder Digitalisierung wie im Bankenbereich oder der Industrie. Wir sind ganz sicher die völlig falsche Branche, wo diese Forderung als Erstes gestellt wird.“ Und da über 70 Prozent Teilzeit arbeiteten, gehe diese Forderung ohnehin ins Leere, meint Berger.

Auch Martin Hoff, Obmann der Fachgruppe Gesundheitsbetriebe in der Wirtschaftskammer Steiermark, der 120 private Pflegeheimbetreiber mit 150 Standorten angehören, steht kürzeren Arbeitszeiten im Pflegeheimbereich kritisch gegenüber. Der Beruf stehe schon jetzt auf der Liste der Mangelberufe, „was unweigerlich zur Folge hätte, dass das Betreuungsangebot eingeschränkt werden muss und im Endeffekt das Weiterfunktionieren des Systems massiv gefährdet wird“.

„Kampfrhetorik der Gewerkschaft“

Was höhere Einkommen betrifft, sagt Hoff, dass der Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich ein sehr hoch dotierter sei: „Hier von einer grundsätzlich schlechten Bezahlung zu sprechen halte ich auch für Kampfrhetorik der Gewerkschaft.“

Hoff übt aber auch scharfe Kritik daran, dass die Wirtschaftskammer mit ihren privaten Pflegeheimbetreibern anders als die öffentlich-rechtlichen Heimträger und großen gemeinnützigen Organisationen nicht in die Kollektivvertragsverhandlungen eingebunden seien, obwohl auch die privaten Heimträger die Ergebnisse der Verhandlungen umsetzen müssen. Einen Termin für neuerliche Gespräche gibt es derzeit nicht.

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