Prozess: Lenker wollte „Abreibung“ für Opfer

Das Opfer sei laut einem Zeugen „blutüberströmt“ und „bewusstlos“ am Boden gelegen, nachdem es von einem Auto angefahren wurde. Der Lenker und seine Freundin standen am Montag wegen Mordversuchs vor Gericht.

Das Pärchen - er dreifacher Vater, sie zweifache Mutter - war am 28. Oktober im obersteirischen Liezen zusammen ausgegangen. Der 29-Jährige war nicht betrunken, seine Freundin allerdings leicht, als sie nach 3.00 Uhr von der Diskothek heimfahren wollten und bei der Garderobe ihre Jacken holten. Dort trafen sie auf drei Männer.

Auseinandersetzung vor Lokal

Einer von ihnen soll die 29-Jährige bedrängt haben, ihr Lebensgefährte wollte das unterbinden. Plötzlich sei der 29-Jährige von einem der Männer gewürgt worden. Eine Auseinandersetzung folgte, schien dann aber geklärt. Das Paar wollte heim, wurde aber von den Männern Richtung Parkplatz verfolgt und vor dem Lokal blutig geschlagen.

Die Angreifer gingen danach weg, die 29-Jährige wollte die Polizei alarmieren. Sie hatte bereits mit einem Beamten gesprochen, als ihr Freund verlangte, dass sie die Polizei aus dem Spiel lassen solle. Sie fuhren heim und entdeckten am Weg plötzlich die Männer als Fußgänger am Straßenrand.

Opfer liegt im Wachkoma

Die Staatsanwältin schilderte im Eröffnungsplädoyer, was dann passierte: „Sie haben die zwei Männer mit 70 km/h zu töten versucht. Einer erlitt Prellungen, der andere schwerste Schädelverletzungen. Er ist seither nicht ansprechbar und liegt im Wachkoma.“ Das Pärchen muss sich nun wegen versuchten Mordes in Leoben vor Gericht verantworten.

Lenker wollte nur „Abreibung“ verpassen

Die Anklage nannte die Frau als Bestimmungstäterin, Lenker des Fahrzeugs war ihr Lebensgefährte. Bei dem Prozess widersprachen sich die beiden Beschuldigten allerdings. Der vorbestrafte Angeklagte sagte: „Sie hat mich gefragt: Führen wir sie nieder?“ Er habe Ja gesagt, den Pkw gewendet und sie dann noch einmal gefragt: „Tun wir das jetzt wirklich?“ Sie habe mit „Ja, okay“ geantwortet und kurz vor den Männern noch einmal gerufen: „Gib Gas!“

Der Obersteirer gab vor den Geschworenen an, dass er mit „gefühlten 40 km/h“ einen der Männer eine „Abreibung“ verpassen wollte. Er habe ihn nur an der Hand streifen wollen. Es machte einen „Tuscher“, dann fuhr das Paar heim. Dort versteckten sie den beschädigten Wagen - es fehlte der Seitenspiegel - in der Garage. Die Polizei forschte die beiden aber wenige Stunden später aus.

Der Angeklagte stritt den versuchten Mord ab, jedoch gab er eine beabsichtigte Körperverletzung zu: „Ich wollte ihn mit dem Spiegel an der Hand erwischen, nicht töten. Ich dachte nicht im Entferntesten, dass es so ausgehen könnte.“ Erst von der Polizei habe er erfahren, dass er zwei Männer erfasst hatte und einer sehr schwer verletzt wurde.

Widersprüchliche Angaben vor Richter

Deutlich anders schilderte die Lebensgefährtin den Hergang: „Er sagte zu mir: Führen wir sie nieder.“ Die Richterin fragte, ob er es als Frage formuliert hatte. „Ja und ich sagte ‚Ja, okay‘.“ Das sei aber keine Zustimmung gewesen: „Ich dachte, er will was rausrufen, aber nicht, dass er auf sie zufährt.“ Was dann genau passierte, wisse sie nicht, weil sie habe nicht auf die Straße geschaut. Sie habe nur einen Knall gehört und gedacht, ihr Freund habe die Männer angefahren.

„Man merkte, dass er kaum noch atmen konnte“

Am Montagnachmittag wurde einer der drei Männer befragt, die in die Auseinandersetzung bei der Disco verwickelt waren. Der 40-jährige Rumäne schilderte ebenfalls den Hergang des Streits. Er bestätigte, dass er und seine Landsmänner das Paar an der Garderobe getroffen hatten. Worte wurden gewechselt. Dann sei eine Schupferei entstanden. Als er seine Jacke hatte und den anderen nach draußen folgte, habe er diese raufen gesehen.

„Ich sah, wie einer von ihnen die Frau schlug, der andere raufte mit dem Mann“, gab der Zeuge an. Er wollte sie trennen, dann habe das Trio den Parkplatz verlassen. Er ging zusammen mit seinen Bekannten eine Straße entlang und musste dann seine Notdurft verrichten. Deshalb ging er zu einen Zaun, während die anderen beiden weitergingen. Plötzlich rief einer der anderen nach ihm. Er sei zu den beiden geeilt und beschrieb: „Silvio lag bewusstlos am Boden. Er war blutüberströmt. Man merkte, dass er kaum noch atmen konnte.“ Der Zeuge sagte dem Richtersenat und den Geschworenen, er habe sofort die Polizei gerufen.

„Erschrecken“ oder „Niederfahren“

Nach Ende der Zeugenbefragung meinte der Angeklagte, dass er sehr wohl auch vom Zeugen geschlagen worden sei. Das hatte der Rumäne bestritten. Jenes Opfer, das bei der Kollision Prellungen erlitten hatte, war zunächst nicht vor Gericht aufgetaucht. Der Zeuge meinte, dass er ihn selbst bisher auch nur drei Mal gesehen habe und nicht wisse, wo er sei.

Chefinspektion Anton Kiesl, der an den Ermittlungen beteiligt war, sagte im Zeugenstand, dass bei den Vernehmungen nicht vom „Erschrecken“ die Rede gewesen war, sondern die Angeklagte habe stets vom „Niederfahren“ gesprochen. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. Da sollen der Kfz-technische und der gerichtsmedizinische Sachverständige ihre Gutachten erläutern. Danach ist das Urteil der Geschworenen geplant.