„Lulu“ im Puppenhaus der „Tiger Lillies“

Wegen des offenen Umgangs mit Sexualität wurde Frank Wedekinds „Lulu“ Anfang des 20. Jahrhunderts zum Skandal. Das Grazer Schauspielhaus zeigt es nun mit vom Drama inspirierten Songs der „Tiger Lillies“.

21 Jahre lang schrieb Frank Wedekind an seinem Drama „Lulu“ und verstörte dann Anfang des 20. Jahrhunderts damit breite Publikumsschichten. Die Geschichte der Frau, die mit vielen Männern kokettiert und sich damit einen gesellschaftlichen Aufstieg verschafft, dann ihr Abstieg zur Prostituierten, die schließlich zum Opfer von Jack the Ripper wird - das alles überforderte die bestehende öffentliche Sexualmoral jener Zeit, und so wurde „Lulu“ immer wieder verboten.

"Lulu - Eine Mörderballade"

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Die „Tiger Lillies“ verarbeiteten diesen Stoff 100 Jahre später im Album „Lulu - Eine Mörderballade“, das im typisch düster-melancholischen Sound die Figuren des Wedekind-Dramas in Songs beschreibt.

„Mit Humor, der im Halse stecken bleibt“

Aus diesem Ausgangsmaterial formt Regisseur Markus Bothe seine Bühnenfassung für das Grazer Schauspielhaus: „Es ist nicht der Wedekind, es ist eine Paraphrase, es spielt mit den Motiven, es spielt teilweise auch mit den Figuren aus Wedekinds ‚Lulu‘, aber das sehr verkürzt und teilweise auch drastischer, mit einer ordentlichen Prise schwarzem, britischen, sarkastischem Humor, der einem aber so gegen Ende ziemlich im Halse stecken bleibt.“

"Lulu - Eine Mörderballade"

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Was macht Macht aus Menschen?

„Lulu - Eine Mörderballade“ von den „Tiger Lillies“ hat in den Texten der Songs viele Ebenen: „Nicht nur etwas über Mann und Frau, sondern eigentlich vor allem über Macht, was Macht mit Menschen macht, und wodurch wird so eine Abwärtsspirale von Täter und Opfer vorangetrieben, die am Anfang gar nicht das Thema ist - am Anfang haben wir eine Lulu, die eine Spielerin ist, die eine autonome Person ist, mit ihrer eigenen Lust, mit ihrem eigenen Willen, die versucht, sich in ihrem Leben zurechtzufinden und die von den Männern, denen sie zunächst 1:1 begegnet, dann nachher durch das Kollektiv der Männer aber ganz nach unten und in den Tod gedrückt wird“, so Bothe.

"Lulu - Eine Mörderballade"

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Das Bühnenbild erscheint als eine Art überdimensionales Puppenhaus, in dem fünf Männer in ihrem Kämmerchen der weiblichen Hauptfigur Lulu begegnen und ihre Träume, Sehnsüchte und Lüsternheiten ausleben. Die Bühnenfassung der „Tiger Lillies“-Songs verlangt mehr als nur eine konzertante Aufführung - die Herausforderung bestehe darin, die in den Songs beschriebenen Figuren auf einen Bühnenexistenz zu bringen, so Regisseur Markus Bohte.

Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 5.10.2018

Viel Musik

Sandy Lopičić hat die musikalische Leitung der Produktion inne und dabei auch die Originalmusik erweitert: „Vielstimmigkeit ist wahrscheinlich das richtige Wort, und wir haben uns natürlich erlaubt, da einiges zu bearbeiten. Wir haben auch die Möglichkeit, mit fünf Darstellern und vier Musikern große Chöre, große Chorsätze zu basteln, und das haben wir auch kräftig gemacht. Das war die Aufgabe bei den Proben, das auf Rollen zu verteilen, die jetzt aber auch nicht zwingend die Handlung spielen sollen, sondern eigentlich andere Bilder zu finden als die, die man jetzt eh schon im Text erzählt, und dann auch Aufteilungen zu machen, wer singt was, und wenn er gestorben ist, singt er weiter oder muss er gehen... solche Fragen waren bei den Proben da, und ich finde, wir haben da einen schönen Kompromiss gefunden, dass eigentlich immer alle auf der Bühne sind.“

"Lulu - Eine Mörderballade"

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Ohne nackte Darsteller

Die Bühnencollage „Lulu - Eine Mörderballade“ kommt im Grazer Schauspielhaus übrigens ganz ohne nackte Darsteller auf der Bühne aus: Die grotesken Kostüme mit Riesengenitalien unterstützen die Überhöhung und Überzeichnung der Figuren, so wie diese in den Songtexten der „Tiger Lillies“ beschrieben sind.

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