Die Vorauer Volksbibel ist Weltkulturerbe

Die Vorauer Stiftsbibliothek umfasst 40.000 Bücher, etwa 400 davon sind Handschriften aus der Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks. Die Vorauer Volksbibel wurde nun in das Weltkulturerbes für Dokumente aufgenommen.

Seit mehr als 850 Jahren prägt das Augustiner Chorherren Stift Vorau das sprituelle, aber auch das kulturelle Leben am Fuße des Hochwechsels. Festmachen lässt sich das am Augenscheinlichsten an der Stiftsbibliothek, und darunter befinden sich wahre Schätze wie die Vorauer Volksbibel.

Volksbibel Stift Vorau

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Die Vorauer Volksbibel umfasst rund 400 Seiten und ist ab sofort Weltkulturerbe

Und die Vorauer Volksbibel wird auch gehütet wie ein Schatz: Sie ruht in einer eigens dafür angefertigten Holzkiste, eingehüllt in weiße Tücher. Diese Kiste befindet sich in einem gesicherten, klimakontrollierten Lagerraum.

Der Aufwand sei berechtigt, sagt Stiftsarchivar Stefan Reiter, handelt es sich doch bei der Vorauer Volksbibel um eine in dieser Schönheit einzigartigen Historienbibel: „Es ist tatsächlich so, dass hunderte von Miniaturen enthalten sind, und in dieser Reichhaltigkeit existiert die Volksbibel nur hier in Vorau. Es gibt viele Historienbibeln, aber das macht die Vorauer Bibel einzigartig.“

Viele Mysterien

Mit den 559 handgemalten Bildern und vor allem in österreichisch-bayrischer Mundart wollte man im späten Mittelalter biblische Inhalte unter die Leute bringen, erzählt Gerhard Rechberger, der Propst von Vorau: „Der erste, der die Bibel wirklich ins Deutsche übersetzt hat, war Martin Luther im Jahr 1520. Wir haben 50 Jahre vorher schon eine deutsche Bibel da.“ Wie die Bibel nach Vorau kam, verliert sich ebenso im Dunkel der Geschichte wie der Name dessen, der sie geschrieben hat - aufgrund des gleichmäßigen Schriftzuges lässt sich aber vermuten, dass es nur ein Schreiber war.

Volksbibel Stift Vorau

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Wer die Bibel schrieb und wie sie nach Vorau kam, bleibt ein Rätsel

Dafür kann Archivar Stefan Reiter auf den Tag genau sagen, wann die über 400 Blätter umfassende und dementsprechend wuchtige Handschrift fertig gestellt wurde: Auf Seite 447 findet sich der Eintrag 31. Oktober 1467. „Das haben die Leute zuhause gehabt, es war modern, so etwas zu haben, es war auch informativ, denn die damalige Gesellschaft war zugleich die Kirche oder umgekehrt, die Kirche war zugleich die Gesellschaft.“

Das große Feuer im Jahr 1237

Aus der ganzen Welt kommen Interessierte nach Vorau, um die Bibliothek zu besuchen, die neben der Volksbibel noch etliche andere Kostbarkeiten birgt - zum Beispiel die Vorauer Handschrift, eine Sammlung frühmittelalterlicher Dichtungen aus dem 12. Jahrhundert und damit aus den Gründungtagen des Stifts, sagt Probst Gerhard Rechberger: „Wir nehmen diese alten Handschriften mit großer Ehrfurcht in die Hand, denn beim Stiftsbrand 1237 hat der damalige Probst noch sein Leben eingesetzt - er hat die Handschriften gerettet, er selbst ist in den Flammen umgekommen.“

Das Internet macht auch vor Bücherregalen nicht halt

Wenn Propst Gerhard Rechberger heute Besucher durch die Bibliothek führt, kann er ihnen aus konservatorischen Gründen natürlich nicht die Originale - zum Beispiel auch nicht der Volksbibel - zeigen - Gäste müssen sie sich meist mit kunstvollen Faksimiles begnügen. Langsam hält aber auch das Internet Einzug in die Jahrhunderte alten Bücherregale, freut sich der Archivar: „Es ist von meiner Seite her ein großes Anliegen, dass vielleicht auch die Volksbibel auf unserer Homepage digital zu sehen sein wird.“

Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 17.10.2018

Große Auszeichnung für Vorau

Für Propst Gerhard Rechberger und für das ganze Stift ist die Aufnahme der Volksbibel in die Liste der weltweit bedeutendsten Dokumente eine große Auszeichnung: „Es wird uns selber bewusst, was wir eigentlich an dieser Volksbibel haben, eine Handschrift, sicher eine der wertvollsten und bekanntesten, aber dass das so ausgezeichnet wird und in das internationale Verzeichnis dieser wertvollen Dinge des Kulturerbe aufgenommen wird, macht uns bewusst, was wir in unserer Bibliothek haben.“

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