Kindesentziehung: Däne von Polizei befragt

Jener Däne, der am Dienstag in Graz seinen Sohn vor einem Kindergarten dessen Mutter entrissen hat, ist mittlerweile von der Polizei verhört worden. Die Mutter verteidigt ihre Ausreise vor zwei Jahren aus Dänemark.

Entführter Sohn mit Vater in Zeitungsbericht

Jyllands Posten

Vater und Sohn sind nach wie vor zusammen

Der 40-jährige Däne ist noch Mittwochabend von der dänischen Polizei einvernommen worden. Das berichtet eine Nachrichtenagentur. Danach seien die Behörden zum Schluss gekommen, vorerst keine rechtlichen Schritte gegen den Mann zu setzen, obwohl ein internationaler Haftbefehl gegen ihn aufrecht ist. Man werde das Vorgehen erst nach dem Osterwochenende beratschlagen.Die Ermittlungen würden auch jenen Unbekannten einschließen, der die Mutter festhielt, während der Däne sein Kind wegzerrte.

Ruhe über die Osterfeiertage

„Uns ist vor allem wichtig, dass es dem Jungen gut geht“, so ein Behördenvertreter. Über die in Skandinavien traditionell wichtigen Osterfeiertage sollen Vater und Sohn ihre Ruhe haben.

Danach würden Juristen die österreichische Eingabe prüfen und versuchen, Ordnung in die verworrene Lage zu bringen. Ein Sprecher des Vaters interpretierte diese Vorgehensweise dahingehend, dass die Polizei „zum jetzigen Zeitpunkt das Urteil des dänischen Gerichts akzeptiert“.

Internationaler Haftbefehl weiter aufrecht

Der internationale Haftbefehl bleibt unterdessen weiter aufrecht, bestätigt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz, Hans-Jörg Bacher, am Donnerstag: „Der europäische Haftbefehl wurde bereits übersetzt an die dänischen Behörden übermittelt, die müssen natürlich darauf reagieren, das wurde auch zugesagt. Wir sind in einer Warteposition.“

Eine offizielle Bestätigung der dänischen Behörden über den Aufenthaltsort des Mannes liegt Österreich noch nicht vor, so Bacher. Erste Kontakte mit den dänischen Behörden gäbe es aber bereits. „Ein Rechtshilfeersuchen an die dänischen Behörden ist ebenfalls in Ausarbeitung. Wir werden jetzt einmal schauen, dass wir Kontakt zu den Behörden und zum Beschuldigten auf offiziellem Weg herstellen können.“

Das Außenministerium kann laut seinem Sprecher Peter Launsky-Tieffenthal nur unterstützend tätig sein, weil es sich grundsätzlich um ein Rechtsproblem handle. Der Mutter des Fünfjährigen wurde angeboten einen Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in Kopenhagen hinzuzuziehen, dieser kenne den Fall und hatte mit der Mutter früher schon Kontakt, heißt es aus dem Außenministerium.

Vater verneint „Verzweiflungstat“

Der Vater selbst hielt in mehreren TV-Interviews fest, die Kindesentziehung sei wohl überlegt gewesen. Er sieht sich im Recht, habe doch eigentlich die Mutter ihm das Kind entzogen, als sie mit dem Buben nach Österreich übersiedelt war.

„Das war keine Verzweiflungstat“, erklärte der 40-Jährige. Er handle rechtmäßig, denn „ich habe die volle Obsorge“. Der Vater hatte den Fünfjährigen Dienstagfrüh vor dem Kindergarten der Mutter entrissen. Mehr dazu in Kindesentziehung - Vater will sich stellen

Vater in dänischer Fernsehshow

ORF

Gerichte haben beiden Eltern Obsorge zuerkannt

Genau das ist das Problem im Fall des fünfjährigen Grazers. Denn sowohl steirische, als auch dänische Gerichte haben jeweils beiden Elternteilen die volle Obsorge zuerkannt. Dem Vater naturgemäß in Dänemark, der Mutter in Österreich.

„Ich konnte nicht mehr länger darauf warten, dass Oliver durch die Trennung von seinen Freunden, seiner Familie und seinem Vater, der ihm sehr nahesteht, Schaden erleidet“, so der Vater in einem Interview.

„Kindesentführungsübereinkommen“

Der Mann und seine Rechtsvertreter berufen sich in ihrer Argumentation auf die Haager Konvention, auch „Kindesentführungsübereinkommen“ genannt: Es regelt die Vorgehensweise bei grenzüberschreitender Kindesentführung bzw. -entziehung. Die österreichischen Behörden und Gerichte verstoßen seiner Ansicht nach dagegen, sie hätten den fünfjährigen Buben längst zurück nach Dänemark lassen müssen und der Mutter keinesfalls das Sorgerecht übertragen dürfen.

In Österreich allerdings führt man ein EU-Abkommen (Brüssel IIa) ins Treffen, das regelt, dass Sorgerechtsentscheidungen der einzelnen Länder wechselweise zu akzeptieren sind. Dänemark hat diesen Vertrag allerdings nie unterzeichnet.

Mutter verteidigt ihre Ausreise vor zwei Jahren

Dem Vorwurf dänischer Medien, durch ihre Ausreise vor zwei Jahren die Problematik erst verursacht und zumindest einen moralischen Fehler begangen zu haben, entgegnet sie, sie habe das zum Wohle des Kindes gemacht. „Ich bin alleinerziehende Mutter gewesen in Dänemark mit einem 40-Stunden-Job, und ich musste eben für mich und meinen Sohn entscheiden, was ist das Beste für unsere Zukunft.“

Ihre Ausreise aus Dänemark sei völlig legal gewesen, was sogar die dänische Justiz bestätigt habe. Nun will sie alle Möglichkeiten ausschöpfen, alle legalen Möglichkeiten, wie sie sagt, damit Oliver wieder nach Österreich kommt.

Mittlerweile hat sich auch die dänische Politik in die Causa eingeschaltet. So verlangt etwa die dänische Sozialministerin, Karen Haekkerup, eine Darstellung zum Fall des kleinen Steirers Oliver. Konkret wollte sie sich vorerst nicht äußern, ließ aber durchblicken, dass sie die dänische Rechtssprechung gegenüber der österreichischen als prioritär betrachte.