Messerstecherei: Drei Jahre für 16-Jährige

Jene 16-jährige Obersteirerin, die einem Mitschüler in den Bauch gestochen hat, ist am Donnerstag in Leoben wegen versuchten Mordes nicht rechtskräftig zu einer dreijährigen, teils bedingten Haftstrafe verurteilt worden.

Keiner der acht Geschworenen erkannte im Handeln der jungen Frau eine Notwehr, wie es ihr Anwalt vorgebracht hatte. Bei der entscheidenden Abstimmung fiel das Votum fünf zu drei für einen versuchten Mord aus. Die Verteidigung kündigte gleich nach dem Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, auch die Staatsanwaltschaft will in Strafberufung gehen. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

Die 16-Jährige hat von einem Jahr, das sie in Haft verbüßen muss, bereits rund drei Monate durch ihre Untersuchungshaft hinter sich. Die beiden bedingt nachgesehenen Haftjahre wurden vom Gericht u. a. mit folgenden Auflagen verbunden: Die Schülerin bekommt Bewährungs- und Erziehungshilfe zur Seite gestellt und muss ihren Hauptschulabschluss nachmachen. Außerdem muss sie dem Opfer 1.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Bereits zweiter Prozess

Es war bereits der zweite Prozess in dem Fall, der am Landesgericht Leoben durchgeführt wurde. Zunächst war die zum Tatzeitpunkt 14-Jährige wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung angeklagt worden. Aufgrund der Angaben der Beschuldigten entschied die Einzelrichterin im Jänner, dass sie nicht zuständig sei - der Fall wurde an den Geschworenensenat übergeben.

Die angeklagte Obersteirerin hatte einige Zeit vor dem Vorfall im Mai 2013 „aus disziplinären Gründen“ die Schule gewechselt und mit einem der neuen Kollegen, dem späteren Opfer, immer wieder Probleme gehabt. Ein monatelanger Streit mit wüsten Beschimpfungen, Mobbing und Drohungen, der über ein Soziales Netzwerk ausgetragen wurde, endete im Mai 2013 an der Kapfenberger Schule mit einer Messerstecherei. Die Neuauflage des Prozesses fand nun vor einem Jugendgeschworenengericht statt. Auch die Anklage hatte sich geändert - mehr dazu in 15-jährige Messerstecherin erneut angeklagt (24.5.2014).

Notwehr oder nicht?

Die zentrale Frage beim Prozessauftakt am Mittwoch war, ob das Mädchen aus Notwehr gehandelt hat oder nicht. Die Staatsanwaltschaft war der Meinung, dass in den Schwitzkasten genommen zu werden, keinen Messerstich als Reaktion rechtfertige. Von Notwehr könne daher keine Rede sein, zumal die Angeklagte zuvor das Opfer über Facebook bedroht und das Messer vorsätzlich in die Klasse mitgenommen habe - daher auch die Anklage wegen Mordversuchs.

Ein Schwitzkasten sei sehr wohl mit der Gefahr von Ohnmacht und sogar des Erstickungstodes verbunden, argumentierte hingegen der Verteidiger. Der Bursche habe zuvor dem Mädchen einen Tritt in den Bauch versetzt, sei dann von einem Sessel auf die 14-Jährige gesprungen und habe sie im Schwitzkasten durch die Klasse gezerrt. Sie habe keine Luft mehr bekommen. Der Griff zum Messer sei daher als Notwehr zu sehen, zumal der Stich nicht gezielt ausgeführt worden sei, sondern nur, um sich aus diesem Würgegriff zu befreien, so der Verteidiger.

Opfer und Angeklagte sagten nicht aus

Die Angeklagte wollte vor dem Richter neuerlich nicht aussagen. Es wurden die Protokolle der ersten Einvernahmen durch Polizei und Haftrichterin direkt nach der Tat verlesen. Dabei hatte die heute 16-Jährige bereits von Notwehr gesprochen. Auch das Opfer machte von seinem Recht, vor dem Richter die Aussage zu verweigern, Gebrauch. Von ihm wurde eine Videoeinvernahme gezeigt, bei der auch er Morddrohungen gegenüber der Angeklagten zugegeben hat - er habe diese aber niemals ernst gemeint.

Die psychiatrische Sachverständige hatte der 16-Jährigen im Gutachten eine „Störung des Sozialverhaltens“ bescheinigt, außerdem eine „Unerreichbarkeit für Erziehungsmaßnahmen“. Mittlerweile lebt das Mädchen bei den Großeltern und macht extern den Hauptschulabschluss nach.