VfGH: Gemeindefusionen nicht verfassungswidrig

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat am Dienstag über die Klagen von steirischen Fusionsgegnern entschieden. Die Anträge wurden abgewiesen, die Fusionen seien nicht verfassungswidrig, so das Ergebnis. Der VfGH sieht kein Recht auf „ungestörte Existenz“.

Der Verfassungsgerichtshof entschied über eine erste Tranche von Anträgen gegen steirische Gemeindefusionen - in diesem Fall betrifft es die Gemeinden Waldbach, Ganz, Parschlug, Tragöß, Eisbach, Tauplitz, Pichl-Kainisch, Altenmarkt/Fürstenfeld, Etzersdorf-Rollsdorf, Saifen-Boden, St. Marein/Neumarkt, Rohrmoos-Untertal, Pichl-Preunegg, Etmißl, Raaba und Grambach.

Keine Verfassungswidrigkeit aus formalen Gründen

Die Anträge wurden zurückgewiesen, das Höchstgericht betonte grundsätzlich: „Die Verfassung garantiert der einzelnen Gemeinde kein Recht auf ‚ungestörte Existenz‘.“ Der Landesgesetzgeber habe „weitgehenden“ Gestaltungsspielraum - die Begründung des Verfassungsgerichtshofs im Detail (Verfassungsgerichtshof).

Die neue Steiermark

Mit 1. Jänner 2015 schrumpft die Anzahl der steirischen Gemeinden auf insgesamt 287: Alle Gemeinden im Überblick.

„Bei den von uns bisher entschiedenen Fällen ist das Ergebnis immer gewesen, es ist kein verfassungsrechtlicher Fall einer Gemeindezusammenlegung“, so Präsident Gerhart Holzinger. Der Verfassungsgerichtshof habe vor allem zu überprüfen, ob die Zusammenlegung sachlich gerechtfertigt ist, weil beispielsweise Gemeinden finanzschwach sind, durch den Bevölkerungsrückgang bedroht sind oder die Infrastruktur, wie Schulgebäude, durch eine Zusammenlegung besser genützt wird. Alle bisher geprüften Fälle haben dem entsprochen, auch formal sei das Gemeindestrukturreformgesetz nach einer Richtigstellung korrekt zustande gekommen, so Holzinger.

„Wichtig ist, dass Vorteile Nachteile überwiegen“

Unsachlich wäre eine Zusammenlegung nur dann, wenn aufgrund ganz besonderer Umstände von vornherein klar ist, dass sie „völlig untauglich“ zur Erreichung der Reformziele sei, so der VfGH-Präsident. Das wäre etwa der Fall, wenn zwei 20 Kilometer entfernte Gemeinden ohne gute Straßenverbindung durch einen unüberwindbar hohen Berg getrennt sind.

Dem VfGH sei bewusst, dass jede Änderung der Gemeindestruktur nicht nur Vorteile bringt, aber auch wenn sich manches nicht und manches zum Nachteil ändere, sei die Fusionierung nicht unsachlich, so Holzinger. „Wichtig ist, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen.“ 26 Fälle sind jetzt noch offen und sollen so rasch wie möglich geprüft werden. Entscheidet der VfGH in einem Fall, dass die Fusion verfassungswidrig ist, gilt das nur für den betreffenden Fall, für alle anderen bliebe das Gesetz gültig.

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Helmut Schöffmann berichtet in „Steiermark heute“ über den Spruch des VfGHs zu den Gemeindefusionen

Voves und Schützenhöfer „strecken Hand aus“

„Das ist ein Tag, der uns glücklich und stolz macht, denn der Verfassungsgerichtshof machte klar, dass man auf Gesetzesbasis gestalten kann, wenn man den Mut aufbringt“, reagierte Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) am Dienstag erfreut auf die VfGH-Entscheidung. „Ich freue mich ganz besonders für Kollegen Schützenhöfer, der den weit größeren Teil zu kommunizieren hatte, und auch dem Verfassungsdienst und der Gemeindeabteilung des Landes ein ganz großes Danke. Die Gemeindestrukturreform wurde hervorragend aufbereitet.“

LH Voves und LH-Stv. Schützenhöfer bei Pressekonferenz

steiermark.at/Leiss

Die „Reformpartner“ Schützenhöfer und Voves reagierten erfreut auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs.

Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sagte, dem Gemeindestrukturreform-Gesetz sei ein mehrjähriger Diskussionsprozess mit intensiver Einbindung vorausgegangen. „Der Hauptvorwurf war ja jener des Drüberfahrens, der VfGH hat nun geurteilt, dies ist nicht zutreffend. Der Vorwurf, du redest nicht mit uns, hat mich tief getroffen“, so der LH-Stv., der weiter sagte, er sei jener, der als letzter vom Verhandlungstisch aufstehe. „Die Hand ist ausgestreckt, kommt ins Boot, bauen wir gemeinsam ein gutes Stück Steiermark“, so Schützenhöfer in Richtung unschlüssiger Ortschefs.

FP, KP und Grüne: Keine Freude mit VfGH-Entscheid

Die Grünen haben keine Freude mit dem Entscheid des VfGH, wenngleich dieser natürlich zu akzeptieren sei. „Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die ersten Anträge gegen die Gemeindezwangsfusionen kehrt den Scherbenhaufen nicht weg, der durch die unsensible Vorgangsweise der rot-schwarzen Landesregierung entstanden ist“, so Landessprecher Lambert Schönleitner.

Für die Freiheitlichen sind die Entscheidungen ein „Rückschritt für den ländlichen Raum sowie die direkte Demokratie". Klubchef Hannes Amesbauer: „In einem Rechtsstaat müssen derartige Entscheidungen zur Kenntnis genommen werden. Eine Rehabilitation der rot-schwarzen Politik des Drüberfahrens ist damit jedoch in keiner Weise vollzogen worden. Vielmehr bleibt zu befürchten, dass der Landflucht sowie der Zentralisierung weiter Vorschub geleistet wird.“

Die KPÖ betonte in einer Aussendung, dass der VfGH-Entscheid keine Klärung der wirtschaftlichen und politischen Probleme in Zusammenhang mit Hunderten Zwangsfusionen bedeute. Landtagsabgeordneter Werner Murgg: „Hinter den Gemeindefusionen versteckt sich ein Paket zur Ausdünnung der ländlichen Infrastruktur und zum Abbau demokratischer Strukturen“.

In einer Umfrage des Wirtschaftsmagazins „trend“ hat sich mehr als die Hälfte der Österreicher für Gemeindefusionen auch im eigenen Wohnumfeld ausgesprochen. Besonders groß ist die Zustimmung in der Steiermark - mehr dazu in Umfrage: Große Zustimmung zu Fusionen (28.9.2014).

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