Tausende trauerten in Graz nach Amokfahrt

Rund 12.000 Menschen haben am Sonntag an der Trauerfeier der Stadt Graz teilgenommen und der Opfer der Amokfahrt gedacht. Bei der Gedenkfeier am Hauptplatz riefen Politiker und Vertreter der Religionsgemeinschaften zum Zusammenhalt auf.

Rund 7.000 Menschen beteiligten sich am Trauermarsch vom Griesplatz zum Hauptplatz, wo sich dann insgesamt 12.000 Menschen einfanden, um ihre Anteilnahme mit den Angehörigen der Opfer der Amokfahrt auszudrücken, und um ein Zeichen des Zusammenhalts zu setzen.

Nagl fordert mehr Aufmerksamkeit

Bürgermeister Siegfried Nagl bezeichnete in seiner Trauerrede den 20. Juni als einen „furchtbaren Samstag“ und „schrecklichsten Tag meines Lebens“. Immerhin stand er selbst im Visier des Amokfahrers. „Wenn du einen Menschen sterben siehst, ihm nicht mehr helfen kannst und neben dir liegt schwerverletzt seine wimmernde Frau, dann ist das ein Bild, das mich wahrscheinlich mein Leben lang begleiten wird.“

Nagl bedankte sich bei allen Helfern und Einsatzkräften, lobte den Zusammenhalt in der Stadt nach der Katastrophe und forderte mehr Aufmerksamkeit ein. „Für das, was wir um uns hören und sehen, und dass wir auch darauf reagieren. Dass wir aber auch aufmerksam sind und reagieren, wenn wir merken, dass es Menschen gibt, die dieses Füreinander-Dasein durch Hetze und Hasstiraden, durch das Ausspielen von Bevölkerungsgruppen untereinander spalten wollen.“

Fischer: „Graz wird diese Wunde heilen lassen können“

Bundespräsident Heinz Fischer sprach von einem „sinnlosen Verbrechen an unschuldigen Menschen, das eine schwere Belastung und ein Schock für Graz ist“. Das Staatsoberhaupt versuchte aber auch Hoffnung zu geben. „Graz wird diese Wunde heilen lassen können und eine schöne, weltoffene und liebenswerte Stadt bleiben. Am allerwenigsten kann man das mit Terror und Verbrechen verhindern.“

Schützenhöfer: „Nicht nebeneinander leben“

Man werde niemals alle Gewalttaten einzelner verhindern können, sagte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer. „Die Narben dieses schrecklichen Ereignisses werden bleiben und wir werden sie immer wieder spüren. Diese Tage haben aber auch gezeigt, dass wir dazu fähig sind, im Leid zusammenzustehen – und das macht Mut.“ Für die Zukunft rief Schützenhöfer zu einem generell stärkeren Zusammenhalt auf: „Wir benötigen Respekt zwischen Alten und Jungen, Reichen und Armen, zwischen den Geschlechtern, zwischen ethnischen Gruppen und Religionen. Das Ereignis, an das wir heute denken, hat uns einmal mehr vor Augen geführt, wie sehr wir einander brauchen: miteinander und nicht nebeneinander leben.“

Faymann: „Ganz Österreich ist zusammengerückt“

Graz habe zusammengehalten in diesen Tagen, das habe man in ganz Österreich spüren können, lobte Bundeskanzler Werner Faymann die Solidarität unter der Bevölkerung. „Graz, die Steiermark und ganz Österreich sind angesichts der furchtbaren Tat näher zueinander gerückt. Dafür ist jenen Dank auszusprechen, die geholfen haben, die ein Zeichen der Trauer gesetzt haben, die getröstet haben.“ Man dürfe jetzt nicht zulassen, dass durch eine solche unfassbare Tat Hass und Zwietracht gesät werden, appellierte Faymann: „Dadurch würden wiederum nur Unschuldige zum Opfer werden.“

Interreligiöse Trauer und Anteilnahme

Mit der Verlesung eines interreligiösen Textes brachten Vertreter der Religionsgemeinschaften ihr Trauer und Anteilnahme zum Ausdruck. Für die katholische Kirche sagte Bischof Wilhelm Krautwaschl, man bete für die Verletzten und Hinterbliebenen: „Diese Tat hat eine ganze Stadt verletzt, hat eine tiefe Wunde geschlagen, die noch offen ist und erst heilen muss. Wir trauern.“

Der Tod und mit ihm das Leid seien grob und abrupt in unser Leben eingetreten, so Ali Kurtgöz von der islamischen Glaubensgemeinschaft. „Jetzt, da wir trauern, uns ohnmächtig fühlen und so vieles nicht begreifen können, stützt uns die Zuversicht, dass eine höhere Macht uns auffängt.“

„Möge unser Glaube uns helfen, unseren Schmerz auszuhalten“, sagte Schlomo Hofmeister als Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde. Gott, verbinde uns Trauernde untereinander und mit den Menschen, derer wir gedenken.“

Der evangelische Superintendent Hermann Miklas schloss die Reden der Vertreter der Glaubensgemeinschaften mit einem Dank an alle Helfer ab, die an diesem Samstag großartiges geleistet hätten – und mit dem Appell: „Mögen wir zusammenrücken im gemeinsamen Gedenken vereint in Trauer ohne Hass.“

„Wir sind füreinander da“

„Wir sind füreinander da“ erschien zum Abschluss der Gedenkveranstaltung auf den Videowänden, bevor der Bundespräsident und die Bundesregierung neben vielen anderen Teilnehmern sich im Kondolenzbuch der Stadt eintrugen.

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ORF-Redakteur Gernot Frischenschlager berichtet für „Steiermark Heute“

Politiker führten Gedenkzug an

Der Trauerzug durch Graz vom Griesplatz bis zum Hauptplatz setzte sich knapp nach 17.05 Uhr in Richtung Augartenbrücke in Bewegung. An dem Marsch beteiligten sich laut Polizei rund 7.000 Menschen, darunter auch die Spitzen von Stadt, Land und Republik. Der Zug führte die große Trauergemeinde über die abgesperrte Strecke und an einer stillen Murvorstadt vorbei am ersten Tatort in der Zweiglgasse nahe der Augartenbrücke und der Synagoge.

Fenstergucker als stille Zaungäste am ersten Tatort

In der Zweiglgasse war ein 28-Jähriger getötet worden, seine 25-jährige Ehefrau wurde schwer verletzt. Hier hatte der Mann auch den zufällig anwesenden Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl mit seinem Wagen anvisiert, dieser und ein weiterer Passant konnten sich retten. Nagl war ebenfalls unter den Menschen im Trauerzug. Menschen schauten aus den Fenstern hinab, als stille Zaungäste des Gedenkens. Dann bewegte sich der Zug langsam über die Grazbachgasse und die Wielandgasse zum Joanneumring und über das Eiserne Tor in die Herrengasse. Nach etwa einer Stunde war der Hauptplatz erreicht.

Vom Start des Trauerzugs berichtet ORF Steiermark-Reporter Wolfgang Schaller:

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Gedenktag begann mit Gottesdienst in Stadtpfarrkirche

Der Tag der Trauer begann in Graz mit einem Gedenkgottesdienst in der Stadtpfarrkirche in der Herrengasse. Nach dem Gottesdienst hätte es eigentlich das traditionelle Sommerfest geben sollen. Doch angesichts der Ereignisse lud man im Brunnenhof zu einer einfachen Agape. Damit wollte die Kirche „Raum und Möglichkeit bieten, aller Betroffenheit Ausdruck zu verleihen“.

In der Innenstadt waren am Sonntagvormittag bereits die Kerzen von diversen Stellen auf dem Hauptplatz und in der Herrengasse weggeräumt und zur Stadtpfarrkirche gebracht worden. Das wurde auch auf entsprechenden Aushängen der Stadt mitgeteilt und um Verständnis ersucht - verbunden mit der Bitte, keine Kerzen mehr aufzustellen. Ein Lichtermeer gab es nur noch an den jenen Stellen, wo die drei Opfer gestorben waren - in der Zweiglgasse und in der Herrengasse vor der Kirche und einer Bankfiliale.

Bunte Werbung machte Pause, Zeughaus geschlossen

Auch die Graz City Lights, die leuchtenden Litfaßsäulen, die üblicherweise bunte Werbung drehend unter die Leute bringen, schalteten am Joanneumring auf Schwarz: „Graz trauert“ stand da zu lesen, in kleiner weißer Schrift auf schwarzem Grund. Das Zeughaus, das Museum mit der großen Waffensammlung in der Herrengasse, schloss früher als sonst. Auch der Altstadtrundgang für Touristen fand nicht statt.