Nach Amokfahrt: Ermittlungen auch gegen Eltern

Die Ermittlungen nach der Amokfahrt in Graz werden auf die Eltern des mutmaßlichen Täters ausgeweitet. Dessen Ehefrau erzählte im „Thema“-Interview, dass sie auch von seinen Eltern bedroht und geschlagen worden sei. Die Staatsanwaltschaft bestätigt weitere Ermittlungen.

Bereits in den Tagen nach der Amokfahrt wurden die Eltern des mutmaßlichen Täters von der Polizei einvernommen - damals noch als Zeugen. Doch aus den Zeugen könnten nun Beschuldigte werden, denn die Ehefrau des Mannes erhebt schwere Vorwürfe gegen die Eltern des Amokfahrers. Im Interview in „Thema“ sagte sie, dass auch ihre Schwiegermutter sie geschlagen habe und alles gewusst habe – mehr dazu in Elena R.: „Er hat mich jeden Tag geschlagen“.

Christian Kroschl (Oberstaatsanwaltschaft Graz / vorne) und Rene Kornberger (Landeskriminalamt Steiermark)

APA/ Erwin Scheriau

Christian Kroschl, Sprecher der Staatsanwaltschaft, bestätigt die Ermittlungen gegen die Eltern

Schwerwiegende Vorwürfe

Aufgrund dieser Angaben nahm die Staatsanwaltschaft Graz Ermittlungen gegen die Eltern auf, bestätigte Sprecher Christian Kroschl: „Aufgrund der Angaben der Frau des Amokfahrers ist es jedenfalls notwendig, von Amts wegen weitere Ermittlungen vorzunehmen, und das wird in den nächsten Tagen geschehen.“ Die Eltern hätten die Taten bisher bei den Befragungen abgestritten, so Kroschl.

Der 26-Jährige soll sogar gedroht haben, die Eltern seiner Frau umzubringen. Nach der Wegweisung am 11. Juni erstattete die Ehefrau Anzeige. Da hätten Polizei und Staatsanwaltschaft prüfen sollen, ob Gründe für eine Untersuchungshaft vorliegen, findet die Geschäftsführerin des Frauenhauses, Michaela Gosch: „Nach der Anzeige am 11. Juni hätte man meiner Meinung nach noch einmal den Täter zu einem Verhör oder noch einmal den Täter zu einer Einvernahme holen müssen. Man hätte noch einmal nachfragen müssen, noch einmal genauer hinschauen müssen. Denn die Vorwürfe waren durchaus schwerwiegend. Aus der Sicht des Opferschutzes wäre das dringend notwendig gewesen.“

Unterschiedliche Angaben von Polizei und BH

Schon vor einem Jahr alarmierte die Ehefrau die Polizei, weil ihr Mann mit seinem Gewehr im Garten herumgeschossen habe und er in Gegenwart der minderjährigen Kinder ihr gedroht habe, sie umzubringen. Das Jugendamt sei aber nie gekommen. Im Referat für Jugendwohlfahrt in der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung heißt es dazu, dass man über diese Vorfälle nicht informiert worden sei und daher auch nicht einschreiten habe können. Laut Polizeisprecher Maximilian Ulrich wurden von der Polizei Kalsdorf aber sehr wohl alle entsprechenden Unterlagen an die zuständige BH bzw. an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Alle Anzeigen seien weitergeleitet worden

Vorwürfe gegen den Beamten der zuständigen Polizeiinspektion lässt Ulrich nicht zu: „Es wurde rechtlich alles richtig gemacht.“ Alle Anzeigen, die sich auf den 26-Jährigen oder seine Eltern bezogen, seien an die Behörden - entweder die Staatsanwaltschaft oder die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung - weitergegeben worden. Ab da seien diese zuständig. Er wolle damit die Verantwortung nicht abschieben, aber „es gibt Vorgaben, innerhalb derer wir uns bewegen können“. Die Frau sei mittlerweile nicht nur von der Polizei, sondern auch vom Landesamt für Verfassungsschutz befragt worden.

Zahl der Opfer steigt weiter an

Zehn Tage nach der Amokfahrt ist die Zahl der Opfer immer noch am Steigen: Neben den drei Toten und 36 Verletzten zählen die Ermittler bisher knapp 50 weitere Opfer, die gefährdet waren und sich teilweise nur durch einen Sprung zur Seite retten konnten. Rund 250 Zeugen haben sich bisher gemeldet, heißt es. Etwa 160 Zeugen wurden bisher von den Ermittlern vernommen. Sie berichteten vom Verhalten des Lenkers und anderen Beobachtungen. Aus dem LKH Graz gab es nach wie vor keine Entwarnung bezüglich der beiden Opfer in kritischem Zustand. Die Identität einer etwa 25 Jahre alten Frau ist ebenfalls noch nicht geklärt.

Tausende trauerten in Graz nach Amokfahrt

Rund 12.000 Menschen haben am Sonntag an der Trauerfeier der Stadt Graz teilgenommen und der Opfer der Amokfahrt gedacht. Bei der Gedenkfeier am Hauptplatz riefen Politiker und Vertreter der Religionsgemeinschaften zum Zusammenhalt auf - mehr dazu in Tausende trauerten in Graz nach Amokfahrt (28.6.2015).

Eine Woche nach der Amokfahrt in Graz zog auch das Kriseninterventionsteam (KIT) des Landes eine erste Bilanz. Angesichts der großen Betroffenheit der Menschen sind die Mitarbeiter des KIT massiv gefordert. Bisher gab es Tausende Gespräche - mehr dazu in Tausende Gespräche nach Amokfahrt (26.6.2015).