Flüchtlinge: Sonderlandtag und Menschenkette

Am Montag hat es einen Sonderlandtag zum Thema Flüchtlinge gegeben. Die FPÖ wollte „Aufklärung“. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer appellierte an „Herz und Verstand“. Vor dem Landhaus gab es eine Menschenkette.

Vor einer Woche hatte die FPÖ den Sonderlandtag beantragt, da, wie die Freiheitlichen sagen, Bund und Land in der Flüchtlingsfrage versagt hätten und in den Sommermonaten nur durch Handlungsunfähigkeit aufgefallen seien - mehr dazu in Asylpolitik: FPÖ beantragt Sonderlandtag und in Kunasek: „Nehmen Asylchaos nicht hin“.

Insgesamt 29 Fragen

FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek wollte in 29 Fragen von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) unter anderem wissen, wie er zum Durchgriffsrecht des Bundes stehe, wie Flüchtlinge untergebracht werden sollen und ob es Höchstgrenzen zur Aufnahme von Flüchtlingen geben solle. Denn wenn die 1,5 Prozent-Quote durchgezogen werde, müsse man mit 18.000 Flüchtlingen rechnen.

Sonderlandtag

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Schützenhöfer: Es braucht „Herz und Verstand“

Um Beruhigung bemüht und sachlich beantwortete der Schützenhöfer bei der Landtagssondersitzung die dringliche Anfrage der FPÖ zum Thema Asyl: „Haben Sie keine Angst, lassen Sie sich nicht in Angst versetzen. Wir werden das schaffen.“

Schützenhöfer antwortete, was man jetzt brauche, seien Herz und Verstand. „Die universellen Menschenrechte sind unteilbar, das darf man nicht nur Sonntag von der Kanzel sagen. Das muss auch halten, wenn es soweit ist. Und jetzt ist es soweit. Eine demokratische Gesellschaft, die diese Grundsätze aufgibt, wenn sie anzuwenden sind, gibt sich selbst auf.“

„Es ist eine Staatsaufgabe“

Ab 1945 seien Hunderttausende verfolgte und verjagte Altösterreicher, Opfer kommunistischer Diktaturen, Ungarn, Tschechen, Polen, dann ab 1992 die Bosnier gekommen, so der Landeshauptmann: „Wir haben offene Grenzen, nachdem die Mauern fielen, und jetzt gibt es wieder welche, die die Mauern hochziehen wollen, aber so kann man keine Probleme lösen“, wurde der Landeshauptmann kurz emotional. „Viele sind irritiert, wie viele kommen noch. Sie fragen sich, wir wollen helfen, aber wie viel noch, werden wir überrollt? Doch die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar, ob er uns passt oder nicht, und es ist eine Staatsaufgabe, dafür zu sorgen, dass sie unangetastet bleibt.“

Große Hilfsbereitschaft betont

„Deshalb wollen wir in der Steiermark alles nach bestem Wissen und Gewissen tun, um die Unterbringung der Flüchtlinge zu bewerkstelligen“, so Schützenhöfer. Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) und ihr Stab seien Tag und Nacht im Einsatz, es gebe eine große Hilfsbereitschaft der Bürger, die in Bahnen gelenkt werden müsse. „Sie haben mit der Problematik nichts zu tun“, so der LH zur FPÖ, „Sie kommentieren sie nur. Wissen Sie, wie das ist, wenn Kampus und ich jede halbe Stunde von der Innenministerin einen Anruf kriegen? Da lasse ich mir gerne vorwerfen, das ist Chaos. Wichtig ist nur eines, wenn die Menschen kommen, dass sie sofort ein Quartier haben, und sie haben es bekommen“, so Schützenhöfer zur FPÖ.

Flüchtlinge in Graz versorgt

Rund 450 Flüchtlinge wurden am Sonntag von Nickelsdorf mit Bussen nach Graz gebracht. Sie wurden in der Messehalle vom Roten Kreuz versorgt, das Feldbetten aufbaute. Sonntagmittag traten die meisten Flüchtlinge die Weiterreise in Richtung Deutschland an - mehr dazu in 450 Flüchtlinge wurden in Graz versorgt.

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„Hoffnung und Perspektive geben“

Er wolle keine Auseinandersetzung, so der steirische ÖVP-Chef. „Ich möchte Sie dabei haben bei der Lösung. Machen Sie das, was Kampus und ich taten, wir sind in aller Früh in die Grazer Messehalle und haben die Flüchtlinge besucht. Schauen Sie sich an, wie sich Hunderte Leute um ein Schüsserl Essen anstellen. Wenn ein Baby in den Armen der Mutter liegt, schauen Sie sich die Verzweiflung an und Sie werden die Dinge anders beurteilen. Wir wissen nicht, wie lange wir helfen können, aber noch können wir, nämlich ein ganz kleines Stück Hoffnung und Perspektiven geben.“

Weitere dringliche Anfragen richteten die Freiheitlichen an Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) und an Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP). Von ihm wollen sie wissen, welche Auswirkungen der Flüchtlingsstrom auf das steirische Gesundheitswesen hat.

Grüne für Miteinander

Die Grünen wollten im Sonderlandtag einen Schulterschluss über die Parteigrenzen hinweg erreichen, sagte Klubobmann Lambert Schönleitner. Mit zwei Entschließungsanträgen wolle man für ein gutes Miteinander sorgen: Unterstützungsangebote für Flüchtlinge sollen ausgebaut werden, die Bundesregierung soll aufgefordert werden, die österreichische Botschaft in Ungarn zu öffnen, damit Flüchtlinge auch dort Asylanträge einbringen können.

In der Sitzung setzten die Grünen auch mit ihrer Bekleidung ein Zeichen. Sie trugen „refugees welcome“-T-Shirts. „Es braucht einen legalen Zugang in die EU für Menschen, die unsere Hilfe brauchen – Europa zuzusperren, wie es die FPÖ will, ist keine Lösung und würde den sozialen Frieden gefährden“, sagte Schönleitner.

Menschenkette vor dem Landhaus

APA/ Peter Kolb

Menschenkette vor dem Landhaus

Vor dem Beginn des Sonderlandtags um 10:00 Uhr hatten sich rund 500 Menschen laut Polizeiangaben in der Herrengasse vor dem Landhaus versammelt, um vor der von der FPÖ beantragten Sondersitzung zur Asylsituation ein Zeichen zu setzen. Die Plattform „Flüchtlinge - Willkommen in der Steiermark“ hatte unter dem Motto „Herz statt Hetze“ dazu aufgerufen. „Wir wollen zeigen, dass es Hilfsbereitschaft in unserem Land gibt“, sagte Tina Wirnsberger von der Plattform.

Menschenkette

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Auch Politiker darunter

In einer Zweierkette, die bis in die Badgasse reichte, hatten sich die Manifestanten am Montag in der Früh versammelt. Unter den Teilnehmern waren unter anderen auch Abgeordnete und Regierungsmitglieder von ÖVP, SPÖ und Grünen, darunter Verkehrslandesrat Jörg Leichtfried (SPÖ). Zeit blieb nicht viel, denn bei einem Beginn von 9.30 Uhr musste die Demo nach knapp einer halben Stunde wegen der „Bannmeile“-Regelung vor einer Sitzung im Landtag wieder beendet werden. Es kam bei strahlendem Herbstsonnenschein zu keinen Zwischenfällen.

Schlepper bekämpfen, Beitrag leisten

Im Landhaus betonte Landeshauptmann Schützenhöfer, Schlepper seien zu bekämpfen, Kriegs- von Wirtschaftsflüchtlingen zu trennen, aber man dürfe keine Keile hineintreiben, „denn das würden wir alle bitter bezahlen.“ Die Steiermark, sagte der Landeshauptmann, sei „das einzige Bundesland, das keine Zelte und Container hat, bei einer Unterbringungsquote von 93 Prozent, das ist sehr schönes Zeugnis für das Land.“ Es sei angesichts der Entwicklung nicht auszuschließen, dass in der Steiermark auch Großquartiere eingerichtet werden müssten. „Wir leisten unseren Beitrag und appellieren an Europa auch hinzuschauen und nicht nationalegoistisch wegzuschauen“, sagte Schützenhöfer.

6.593 Asylwerber sind in der Steiermark in Grundversorgung.

Kampus: Einladung an FPÖ

Die für Flüchtlingsfragen zuständige Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) wies ebenso wie Schützenhöfer die FPÖ-Vorwürfe über eine verfehlte Asylpolitik zurück, lud aber die Freiheitlichen zur Zusammenarbeit ein und stellte die Frage in den Raum: „Wer hindert die FPÖ daran, konstruktiv in dieses Thema einzusteigen. Gemeinsam mit uns, mit den Steirerinnen und Steirern, an einer Lösung zu arbeiten“? In der Steiermark gab es mit vergangenem Freitag 6.593 Asylwerber in Grundversorgung, davon 6.299 in steirischer und 294 in Bundesbetreuung, so Kampus auf eine dringliche FPÖ-Anfrage bei einer Landtagssondersitzung.

Drexler mit Kritik an FPÖ

In der dritten dringlichen Anfrage des Montags - diesmal an Spitalslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) - diagnostizierte FPÖ-Mandatar Hannes Amesbauer Handlungsbedarf, den medizinischen Leistungskatalog für Asylwerber zu beschränken, nämlich auf Grundleistungen wie in anderen EU-Staaten. Drexler kritisierte die FPÖ: Diese wolle ein europäisches Durchgriffsrecht, aber für eine faire Aufteilung in Österreich verschließe sie sich einer Ultima Ratio. „Sie wollen die Versorgung auf ein Mindestmaß herunterschrauben und dann vor eingeschleppten Krankheiten warnen, die wir aber nicht feststellen können, wenn wir uns nur auf Grundversorgung beschränken“, so der Landesrat.Von einem Ansturm in den Ambulanzen der KAGes-Spitäler könne man nicht sprechen, so Drexler.

Kurzmann will temporäre Grenzkontrollen

Für kurze Aufregung sorgte FPÖ-Mandatar und 3. Landtagspräsident Gerhard Kurzmann: „Meine Sympathie gehört Viktor Orban.“ Kurzmann forderte die Wiedereinführung von temporären Grenzkontrollen. „Da die EU offensichtlich nicht imstande ist, ihre Außengrenzen zu schützen, müssen die Nationalstaaten ihre Grenzen wieder selbst kontrollieren“, so Kurzmann. Die Freiheitlichen brachten einen entsprechenden Entschließungsantrag ein.

„Es geht nicht mehr um die Frage, wo Asylwerber beherbergt werden, sondern vielmehr darum, wie man die gigantischen Flüchtlingsströme eindämmen und das Asylchaos stoppen kann“, sagte Kurzmann.

Kunasek mit Kritik

FPÖ-Klubobmann Kunasek betonte auch nach der Anfragebantwortung, dass Großquartiere „um jeden Preis verhindert werden“ müssten. Scharfe Kritik übt Kunasek auch an der ausufernden Asylindustrie: „Dieser Geschäftemacherei mit dem Leid von Menschen ist ein Riegel vorzuschieben. Die Flüchtlingsbetreuung muss wieder in staatliche Hände überführt werden.“

KPÖ forderte Verbesserungen

KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler kritisierte den von der FPÖ verwendeten Begriff „Asylchaos“: „QNicht die unbegleiteten Kinder und erschöpften, kranken, traumatisierten Menschen, die zu uns kommen, verursachen ein Chaos, sondern die politisch Verantwortlichen, die völlig überfordert mit einer Situation zu sein scheinen, die absehbar war, sie haben „unzumutbare Zustände“ zu verantworten“, sagte Klimt-Weithaler und bezog sich dabei auf die Zustände im Flüchtlingslager Traiskirchen. Sie forderte rasche Verbesserungen: „Das geht von der Novellierung des Asylgesetzes – verkürzte Verfahren, Antragsstellung in Botschaften, sichere Einreise – bis hin zur verbesserten Betreuung.“

Lage für Flüchtlinge weiter dramatisch

Die Lage für Kriegsflüchtlinge ist in Ungarn weiterhin prekär. Ungarische bzw. serbische Medien berichten unter Berufung auf offizielle Angaben von einem anhaltenden Grenzübertritt von Flüchtlingen - mehr dazu in Erneut Hunderte zu Fuß unterwegs. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban weist weiterhin jede Verantwortung für die Flüchtlingsbewegungen zurück - mehr dazu in Wettern über „Wirtschaftsflüchtlinge“. In Deutschland stellt die Regierung angesichts der vielen Flüchtlinge im Land mehr Geld zur Verfügung - mehr dazu in Mehr Geld für Hilfe und schärfere Regeln.

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