Dschihadistenprozess: „Urteil sehr streng“

Am Donnerstag ist am Straflandesgericht in Graz ein mutmaßlicher Dschihadist zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Strafrechtsexperten sehen das Urteil skeptisch. Von „zu hoch“ bis „argumentierbar“ lauten die Reaktionen.

Acht Jahre Haft lautete am Donnerstag das Urteil gegen einen mutmaßlichen Dschihadisten am Grazer Straflandesgericht. Zehn Jahre hätte es wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung maximal geben können - mehr dazu in Dschihadistenprozess: Acht Jahre Haft.

Von türkischen Behörden gestoppt

Der gebürtige Bosnier aus Graz hatte zwar versucht, nach Syrien zu gelangen, wurde von den türkischen Behörden aber gestoppt. Strafrechts-Professor Klaus Schwaighofer meint zwar, der Verurteilte habe offenbar starke Sympathien für Bluttaten gehabt, das Urteil sei aber zu streng.

„Tendenziell sind 80 Prozent des zur Verfügung stehenden Strafrahmens schon streng. Er ist nicht nach Syrien gekommen, sondern in der Türkei gestrandet. Also ich halte die Strafe für zu hoch“, so der Innsbrucker.

Verurteilter nicht kooperativ

Ähnlich sieht dies der Linzer Strafrechts-Professor Alois Birklbauer: „Es ist ein sehr hohes Urteil. Bei normaler Schuld beim Ersttäter geht man von einem Drittel bis maximal der Hälfte des Möglichen aus. Vier Fünftel sind deutlich darüber."

Verständnis für das Strafausmaß zeigt der niederösterreichische Strafrechtsexperte Wolfgang Wessely. Der Verurteilte habe offenbar zumindest eine Person für die Terrormiliz Islamischer Staat angeworben. Das habe eine konkrete Auswirkung auf die Situation in Syrien. Auch dass er zur Radikalisierung von Jugendlichen beigetragen habe, sei dem gebürtigen Bosnier vorgeworfen worden.

Außerdem sei der Verurteilte weder geständig gewesen, noch habe er sich gegenüber dem Gericht kooperativ gezeigt. Wessely meint, dass das Gericht mit dem Urteil möglicherweise eine abschreckende Wirkung erzielen wollte. Dem entgegnet Birklbauer, dass der Bosnier bereits im Gerichtssaal gemeint habe, er verstehe das Urteil nicht und sei ein Faschismus-Opfer.

Abschreckende Wirkung

„Wenn das auch von seinem Umfeld so gesehen wird, kann das radikale Tendenzen verstärken, weil eben der Rechtsstaat von diesen Personen dann noch weniger akzeptiert wird. Sie fühlen sich dann selbst als Opfer dieses Rechtsstaats. Es könnte also bedeuten, dass die Abschreckungswirkung völlig in das Gegenteil verkehrt wird“, meint Birklbauer.

Auch der Dschihadismus- und Deradikalisierungs-Experte Thomas Schmidinger glaubt, dass sich hochgradig ideologisierte Islamisten durch ein derartiges Urteil nicht abschrecken lassen. Jene, die überlegen nach Syrien zu gehen, weil sie in Österreich für sich keine Chance sehen, könnten allerdings sehr wohl abgeschreckt werden. Die zentrale Frage sei aber, ob und wie im Gefängnis und nach der Haft an der Deradikalisierung der Häftlinge gearbeitet wird. Ein entsprechendes Projekt des Justizministeriums sei im Anlaufen.