Flüchtlingskoordinator: „Bisher nur Fingerübung“

„Die Flüchtlingssituation seit Herbst und im heurigen Jahr ist nur eine Fingerübung im Vergleich dazu, was auf uns zukommt, vor allem im Bereich Integration“ - so Flüchtlingskoordinator Kurt Kalcher bei einem Vortrag.

Im Transit durch Österreich waren exakt 684.588 Personen - September bis 31. Dezember 2015 - unterwegs. Im Jänner 2016 waren es dann noch einmal rund 69.000. Diese Zahlen nannte Kalcher nun bei seinem Vortrag vor der steirischen Offiziersgesellschaft.

Ankünfte gehen derzeit gegen Null

Am steirischen Grenzübergang Spielfeld sind rund 159.000 Menschen angekommen und in Bad Radkersburg 49.700. Das neue Grenzmanagement Spielfeld könne rund 11.000 Ankömmlinge am Tag abfertigen, die Ankünfte gingen aber derzeit gegen Null, so Kalcher bei dem Vortrag in der Grazer Gablenzkaserne.

„Steirische Strategie“

Kalcher, der früheren Leiter der Katastrophenschutzabteilung des Landes wurde elf Tage nach seiner Pensionierung auf Wunsch von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) aktiv, ein „Kaltstart“. Seine Aufgabe sei esmit Gemeinde und Bezirkshauptmannschaften zusammenzuwirken, zur Schaffung von Unterkünften und Verständnis, so Kalcher.

„Die steirische Strategie lautet, alles zu tun, um einen Durchgriff des Bundes in der Quartierfrage zu vermeiden. Wir setzen auf kleine Quartiere, große nur im Worst Case.“ Wenn die Landesquote nicht erreicht werde, schaue der Bund auf die Bezirke und dann runter auf die Gemeinden, sagte Kalcher.

Thema „sehr sehr negativ besetzt“

„Das alles sage ich den Bürgermeistern“, so der Koordinator, immer mit der Möglichkeit im Hintergrund, dass der Bund ein Durchgriffsrecht habe, um Quartiere zu verordnen, für bis zu 450 Menschen pro Gemeinde über 2.000 Einwohner. Viele Menschen sagten, sie hätten „Angst vor testosterongesteuerten Männern“, andere wieder seien verschreckt, wenn Flüchtlinge Fotos in den Dörfern machten. Im Moment sei das Thema Flüchtlinge sehr, sehr negativ besetzt in der Bevölkerung. Er schätze, dass vielleicht noch 20 Prozent der Österreicher dem Thema positiv gegenüber stünden.

Als Maßnahmen von seiner Seite gebe es Bürgermeisterkonferenzen in den Bezirken und eine Steuerungsgruppe mit den Bezirkshauptmannschaften, sagte Kalcher. 106 Ortschefs habe er bereits besucht.

Durchhaltefähigkeit der Zivilgesellschaft

Manchmal sei Kalcher selbst nahe am Aufgeben, angesichts mancher Aussagen. „Dann denke ich, ich schreibe ein Mail an den Landeshauptmann, ich will nicht mehr. Es geht einem alles sehr, sehr nahe.“ Die Durchhaltefähigkeit der Zivilgesellschaft, die sehr, sehr viel geleistet habe wie etwa bei den Sprachkursen, sei gegeben - seiner Ansicht nach aber nur, wenn es nicht mehr negative Begleiterscheinungen gebe, so Kalcher.

„Soziales Engagement ist derzeit null“

Bei neuen Quartieren funktioniere es mittlerweile nur mehr über die Brieftasche: „Das soziale Engagement ist derzeit null“. Eine gewisse Bitterkeit äußerte Kalcher in Bezug auf die EU: „Diese hat im Grunde das Konzept der fairen Aufteilung für gescheitert erklärt. Man kündigt viel an, unterm Strich bleibt dann wenig“. Flüchtlinge und Migranten sollen künftig schon an der Grenze zurückgewiesen werden können. Nur jene, die Verwandte in Österreich haben, sollen bleiben dürfen - mehr dazu in Schnellprüfungsverfahren an Grenze geplant.

Herausforderung Integration

Die eigentliche Herausforderung ist für Kalcher die Integration. „Wenn das nicht gelingt, kriegen wir eine Parallelgesellschaft und dann habe wir ein Problem. Was ist also zu tun? Man muss nach dem Prinzip ‚Wohnen, sprechen, arbeiten‘ vorgehen. Anständige Unterkunft, Spracherwerb, in Arbeit bringen.“