Versuchter Totschlag: Oststeirer verurteilt

Ein Oststeirer ist am Donnerstag im Grazer Straflandesgericht wegen versuchten Totschlags seiner demenzkranken Ehefrau schuldig gesprochen worden. Das vier Jahre Haft umfassende Urteil nahm er an.

Wegen der besonderen Umstände wurden dem Angeklagten 33 Monate bedingt nachgesehen: Weil er die Pflege seiner schwer demenzkranken Frau nicht mehr schaffte, hatte der 70-Jährige den Entschluss gefasst, seine Frau und sich selbst zu töten: Er montierte die Kopfstützen in seinem Wagen ab und raste mit seiner Frau am Beifahrersitz absichtlich gegen eine Hausmauer. Beide überlebten schwer verletzt - die Frau starb aber zwei Monate später an einem Blutgerinnsel.

„Klassischer Kausalzusammenhang“

Der gerichtsmedizinische Gutachter sah beim Prozess am Donnerstag „einen klassischen Kausalzusammenhang“ zwischen dem Unfall und dem Tod - die Thrombose sei infolge einer Operation entstanden, die nach dem Unfall notwendig war. Für den Staatsanwalt war daher klar, dass der Angeklagte wegen Mordes oder Totschlags zu verurteilen sei.

„In guten wie in schlechten Zeiten“

Er habe die Tat vorsätzlich geplant - eine Tat, die schlussendlich auch zum Erfolg geführt habe. Der Angeklagte war 48 Jahre mit seiner Frau verheiratet, das Paar hat drei Kinder. Nach einer Erkrankung mit Herpes Enzephalitis litt die Frau an Demenz. Seit 2012 musste sie ständig von ihrem Ehemann betreut werden.

Die Überforderung in der Pflege stehe außer Zweifel, so der Staatsanwalt - sein Zustand ändere aber nichts an der Tat. Er wollte das Leben seiner Frau beenden und habe das schlussendlich auch getan. Der Staatsanwalt zitierte das Ehegelübde - in guten wie in schlechten Zeiten - und sagte, die schlechten Zeiten dürfen nicht mit einer Gewalttat beendet werden. Daraufhin brach der Angeklagte in Tränen aus.

„Kollateralschaden des Pflegesystems“

Für den Verteidiger war dagegen das gerichtsmedizinische Gutachten nicht aussagekräftig genug: Er sagte, dass das Blutgerinnsel tatsächlich eine Folge des Unfalls sei, sei nicht erwiesen - und ein „möglicherweise“ reiche in der Rechtsprechung nicht. Immer wieder wies er auf die völlige Überforderung seines Mandanten hin, und er sah ihn auch wörtlich als „Kollateralschaden eines Pflegesystems, das die Pflegenden völlig alleine lässt“.

„Tropfen brachte Fass zum Überlaufen“

Ob das Urteil auf Mord oder Totschlag lauten sollte, hing auch davon ab, inwiefern eine Affekthandlung zu erkennen war. Der geordnete Ablauf spreche dagegen, so der psychiatrische Sachverständige, der aber auch eine „fortschreitende Zermürbung der seelischen Kräfte“ sah - er sprach von einem Tropfen, der das schon länger voll gefüllte Fass zum Überlaufen gebracht habe. Er bezeichnete den Angeklagten als nicht gefährlich und geht auch nicht von einer Tatwiederholung aus.

Beschuldigter nahm Urteil an

Die Geschworenen sahen in Anbetracht der Umstände weder Mord noch versuchten Mord oder Totschlag, sondern einstimmig den versuchten Totschlag. Der Mann wurde zu vier Jahren Haft verurteilt, wegen der besonderen Umstände wurden ihm 33 Monate bedingt nachgesehen. Das Gericht betonte, dass das milde Urteil nicht als Signal an pflegende Angehörige gedeutet werden dürfe.

Das Delikt der versuchten Tötung werde nicht toleriert, aber die jahrelange Situation des Beschuldigten sei damit anerkannt. Der Oststeirer nahm das Urteil nach Rücksprache mit seinem Anwalt an. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, weshalb das Urteil nicht rechtskräftig ist.