„Staatsverweigerer“-Prozess geht in Woche zwei

Im „Staatsverweigerer“-Prozess in Graz beginnt am Montag Woche zwei. Die erste Woche brachte tiefe Einblicke in die Gedankenwelt der Angeklagten, die laut Anklage versucht hatten, ihren eigenen Staat zu leben.

Eine Art Polit-Robin Hood, jemand, der Reichen nimmt, um den Geknechteten zu geben: So jedenfalls will die Hauptangeklagte, die Gründerin und selbsternannte „Präsidentin“ des „Staatenbunds“, ihr Tun gerne verstanden wissen, das sie und 13 ihrer Anhänger schließlich vor Gericht brachte, unter anderem wegen der versuchten Anstiftung zum Hochverrat, weil sie laut Anklage ihre Gegner verhaften lassen und das Bundesheer zum Putsch bewegen wollten.

Eineinhalb Jahre lang brachte die 42-Jährige ihre Ideologie an die Menschen, von denen immerhin rund 2.700 zu Mitgliedern des „Staatenbundes“ wurden - eine Ideologie, die aus historischen Versatzstücken und gängigen Angstthemen zusammengesetzt ist und im Grunde besagt, dass die Republik Österreich abgeschafft sei und ihre Gesetze nicht mehr gelten würden. Der „Staatenbund“ sei demnach der neue Staat mit Hoheitsrechten, die jenen der Republik interessanterweise sehr ähnlich sind.

Altbekanntes neu verpackt

Im Prinzip gab es Umbenennungen: Aus der Geburtsurkunde wurde die sogenannte „Lebenderklärung“, aus dem Grundbuch das „Landbuch“, aus der Nationalbank das „Haus der Schöpfung“, die dann statt dem Euro den „Österreicher“ druckt. Die Fantasieurkunden des „Staatenbundes“ gab es gegen Entgelt, das in die „Staatskasse“ floss, deren Inhalt die Gründerin verwaltete - was sie damit machte, ist Gegenstand der Anklage, schwerer gewerbsmäßiger Betrug steht im Raum.

Ein „Staatenbund“ voller Schlagworte

Die Ideen sind nicht neu: Menschen, die sich vom Staat abwenden, ihren eigenen Staat ausrufen, gibt es weltweit, und es gibt sie in immer größer werdenden Zahl, vor allem in den USA und in Deutschland. Aus der deutschen Reichsbürgerbewegung hat auch die Oststeirerin ihre Ideen, besuchte sie doch deren Seminare, und die ehemalige FPÖ-Bezirkspolitikerin warf danach in den Kochtopf ihrer Staatengründung so ziemlich alle Schlagworte, die auch einige Parteien gerne im Rezeptbuch für Angstmache stehen haben: Flüchtlinge, Juden, die Bankenverschwörung und die Mafia, aber - für den „Staatenbund“ charakteristisch - auch den Nationalsozialismus.

Eine Analyse von ORF-Steiermark-Reporterin Sabine Schink - sie hat die erste Woche des „Staatsverweigerer“-Prozesses begleitet

An irgendeiner Stelle traf sie damit offenbar jene, die ihr folgten und die oft - wie die Gründerin selbst - vom Leben Gebeutelte, vom Staat Enttäuschte sind: Mit ihr, die gepfändet wurde, sitzen auf der Anklagebank unter anderem ein von der Justiz enttäuschter ehemaliger Gendarm, ein durch Krankheit in Konkurs getriebener Unternehmer, eine Bergbäuerin, der ihr Hof zu eng wurde - Menschen, die Halt suchten und an einer Stelle fündig wurden, die sich als Kartenhaus über das Ziel hinausschießender Ideale entpuppt hatte, und über das jetzt im Geschworenengericht jener Republik entscheiden wird, von der manche der Angeklagten nach wie vor sagen, sie existiere nicht. Übrigens: Auch Robin Hood existierte nie.

Die Chronologie des Prozesses

Die 14 Angeklagten müssen sich zum Teil wegen versuchter Bestimmung zum Hochverrat, wegen staatsfeindlicher Verbindung und zum Teil wegen Betrugs vor Gericht verantworten - mehr dazu in „Staatsverweigerer“-Prozess ab Mitte Oktober (31.8.2018).

"Staatsverweigerer"-Prozess

APA/Erwin Scheriau

Zu Beginn des Prozesses legte der Staatsanwalt über mehrere Stunden seine Sicht der Dinge fest. Die Angeklagten tätigten zahlreiche Zwischenrufe, die Richterin hatte anfangs Mühe, Ordnung in den Prozess zu bringen - mehr dazu in „Staatsverweigerer“-Prozess: Kurioser Auftakt (15.10.2018). Dann waren die Verteidiger und erstmals auch die Hauptangeklagte am Wort - mehr dazu in „Staatsverweigerer“: „Komische Ideen“ (16.10.2018). Es ging bislang auch schon um die betrügerischen Taten, die die Mitglieder des „Staatenbundes“ gesetzt haben sollen - mehr dazu in „Staatsverweigerer“: Applaus im Gerichtssaal. (17.10.2018). Schließlich wurde auch noch der Zweitangeklagte, ein pensionierter Gendarm, befragt - mehr dazu in Der Anruf aus dem Kreml. (18.10.2018) und in „Staatsverweigerer“: Der „Weisenrat“ (19.10.2018).