Arzt-Prozess vertagt: Urteil frühestens Mitte Mai

Der Prozess gegen jenen oststeirischen Arzt, der seine Kinder jahrelang psychisch gequält haben soll, ist am Dienstag auf den 30. April vertagt worden. Ein Urteil wird es demnach frühestens Mitte Mai geben.

Ende April sollen noch weitere Zeugen und Sachverständige zu Wort kommen - frühestens am 16. Mai soll das Urteil erfolgen. Wurde die erste Auflage dieses Verfahrens an zwei Verhandlungstagen erledigt, so sind diesmal mindestens sieben Sitzungen nötig, um das Geschehen penibel aufzuarbeiten. Am Dienstag hatten das vierte Kind und die Ex-Frau des Mannes ausgesagt, die ihn beide schwer belasteten.

Bereits Anfang April sagten die zwei Töchter des oststeirischen Arztes aus, sprachen von grundlosen Selbstmorddrohungen des Vaters, der sie als „dumm“ und „dick“ bezeichnet haben soll - mehr dazu in Arzt-Prozess: Töchter sagen gegen Vater aus. Dem Oststeirer wird vorgeworfen, seinen Kindern Alkohol, Cannabis und Schmerzmittel gegeben zu haben, außerdem soll er sie jahrelang psychisch gequält, gedemütigt und beleidigt haben. Auch der heute 21-jährige Sohn des Mediziners wurde bereits als Zeuge einvernommen – mehr dazu in Arzt-Prozess: Sohn sollte Vater Spritzen setzen (26.3.2019).

Tagebuchauszug nicht vorgelesen

Am Dienstag war der Prozess zuletzt fortgesetzt worden. Am Beginn der Verhandlung standen neuerlich Anträge, diesmal wollte der Privatbeteiligtenvertreter unter anderem einen Tagebuchauszug des Angeklagten verlesen haben. „Mit den Persönlichkeitsrechten haben Sie kein Problem?“, fragte Richter Oliver Graf, der das Schriftstück vorläufig nicht zuließ.

Tochter: „Ich habe heute noch Angst vor ihm“

Dann begann die abgesonderte Befragung der dritten Tochter. Die mittlerweile 29-Jährige wirkte sehr mitgenommen und weinte nahezu während des gesamten Gesprächs mit dem Richter."Ich habe heute noch Angst vor ihm", gab die Zeugin über ihren Vater zu Protokoll. „Warum?“, wollte der Richter wissen. „Weil ich gehört habe, dass er sich eine Schusswaffe gekauft hat, weil er Sprengstoff hat, weil er Säure für der Mama ihr Gesicht gekauft hat, weil er unser Haus sprengen will“, brach es aus der jungen Frau heraus.

Thema Waffen

Auch die Morddrohungen, die ihr Vater gegen eine seiner Ex-Freundinnen gerichtet haben soll, würden ihr Angst machen. „Glauben Sie dieser Frau alles?“, fragte der Vorsitzende. „Ja, Waffen waren immer schon ein Thema.“

„Es war nur Manipulation“

Die Selbstmorddrohungen des Vaters hätten sie als Kind in Angst und Schrecken versetzt, sagte die 29-Jährige aus. Sie schilderte, dass er einmal vor der Schlafzimmertüre gestanden sei und sich eine Waffe an die Schläfe gehalten hatte. Sie habe geschrien „Bitte Papa tu’s nicht“. Später erkannte sie, „es war nur Manipulation, er wollte sich eh nie umbringen“, war sie bei ihrer Befragung überzeugt.

Wollte gute Tochter sein

Trotz aller Probleme habe sie „ihn vergöttert“, sagte die Frau, er sei ihr „halbes Herz“ gewesen. „Ich bin ihm als Einzige immer nachgelaufen, wenn er weggegangen ist, ich wollte eine gute Tochter sein.“ Der Mutter durfte sie nie etwas erzählen, der Vater redete ihr ein, dass sich diese dann scheiden lassen würde. „Ich habe gedacht, wenn sich die Mama scheiden lässt, bringt er sich um.“

Lange Befragung

Die Befragung der 29-Jährigen wurde äußerst penibel durchgeführt und dauerte entsprechend lange. Sie erklärte, sie habe durch den ständigen Druck eine Zwangsstörung entwickelt, die sich erst mit einem Umzug gelegt hätte. „Ich hatte auch eine Zwangsstörung, es musste alles immer ganz ordentlich in meinem Zimmer sein. Wenn ein Sessel verrückt war, habe ich das nicht ausgehalten“, beschrieb die Zeugin.

Medikamente vom Vater bekommen

Der Arzt hat sich nach Angaben seiner Tochter immer wieder so heftig geritzt und geschnitten, dass „dann das Blut aus dem Gewand gekommen ist.“ Sobald von Scheidung nur die Rede war, habe sich ihr Vater selbst verletzt. Sie selbst wurde bereits mit elf Jahren depressiv und bekam von ihrem Vater Medikamente. „Wer hat die Diagnose erstellt? Waren Sie auf der Kinderpsychiatrie“, wollte der Richter wissen. Das verneinte die Zeugin, ihr Vater habe ihr die Tabletten gegeben. Laut Anklage hatte das bei ihr zu einer Sucht geführt.

„Wollte ihn schon vor Heirat verlassen“

Am Nachmittag wurde die Ex-Frau des Arztes als Zeugin gehört. Sie gab an, er habe immer schon mit Selbstmord gedroht. „Ich wollte ihn schon vor der Heirat verlassen“, gab sie zu Protokoll. Doch es gab auch „die großen Liebesschwüre“, also ging sie die Beziehung ein.

Zu den Quälereien, die 22 Jahre gedauert haben sollen, meinte die Mutter der vier Kinder: „Es hat Schläge auf den Hinterkopf der beiden Mädchen gegeben, die waren so zwei, drei Jahre“. Doch das sei nur einmal vorgekommen; „Ich habe ihn darauf angesprochen und er hat es nicht mehr gemacht“.

„Nicht verhinderbar, dass Kinder das hören“

„Haben Sie die Selbstmorddrohungen mitbekommen?“, fragte Richter Oliver Graf. „Ja“, antwortete die Zeugin. „Wann hat das begonnen?“, hakte der Richter nach. „Ich habe ihn so kennengelernt“, legte die Frau dar. Er habe sie schon vor der Ehe durch Drohungen manipuliert. „Es war schon damals eine Quälerei“, musste sie eingestehen. Dass ihr Ex-Mann auch die Kinder mit hineinzog, kommentierte sie mit den Worten: „Es war nicht verhinderbar, dass die Kinder das hören.“

Er sei immer wieder vom Tisch aufgestanden und habe gesagt, er erschieße sich jetzt oder ertränke sich im Teich. Eine Tochter habe den Vater in der Holzhütte mit Stricken um den Hals und rot angelaufen gefunden, erzählt die Mutter. Das habe die Tochter der Mutter aber erst lange nach der Scheidung erzählt.

Auch die anderen Kinder hätten erst nach der Scheidung langsam begonnen, über alles zu sprechen. Warum sie nicht vorher bei den Kindern nachgefragt habe, wollte der Richter von der Frau wissen. Sie habe keine Kraft mehr dafür gehabt, antwortete die Ex-Frau mehrmals als der Richter wissen wollte, warum sie nichts unternommen habe. Es sei ein jahrelanger Überlebenskampf gewesen, wie im Krieg, schildert sie die Zeit mit ihrem damaligen Mann. Der Prozess wird am 30. April mit Zeugen und einem Gutachter fortgesetzt.