Osteransprache von Superintendent Wolfgang Rehner

Ist der Karfreitag ein Feiertag oder nicht? Seit Wochen und Monaten wogt die Diskussion darüber in Österreich auf und ab. Es ist Karfreitag. Nicht allein für die Evangelischen. Für die gesamte Christenheit. Wir haben den Karfreitag zu den Leuten gebracht. Mittags um 12 haben wir eine ökumenische Feier am Färberplatz in Graz gehalten. Im Vorfeld haben wir Meinungen eingefangen: „Was ist Ihr persönlicher Karfreitag?“ haben wir gefragt.

Eine Schülerin hat ihren persönlichen Karfreitag so beschrieben: „Ein Feiertag, bei dem jeder aus meiner Familie zu Hause ist. Ein schöner und lustiger Tag“. Ich frage: Wäre es auch ohne die anderen ein Feiertag? Kann man Feiertage für sich allein haben? Oder wird dann das draus, was ein Schüler in dem einfachen Satz zusammenfasst: „ein ganz normaler Tag“?

Superintendent Wolfgang Rehner

epd/M. Uschmann

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Die Osteransprache von Superintendent Wolfgang Rehner

Als Antwort auf die Frage nach dem persönlichen Karfreitag haben manche festgehalten, was sie tief traurig gemacht hat. Felix, 14 Jahre alt, schreibt: Als ich in der 2. Klasse Gymnasium war, habe ich erfahren, dass meine Mutter Brustkrebs hat. Ich war zuerst geschockt, musste es aber akzeptieren. Es war schwer, die eigene Mutter so leiden zu sehen. Jeden Tag habe ich geweint und gehofft, dass es ihr eines Tages wieder besser geht.

Ein weiterer Eintrag: Ich war zu Tode traurig, als mein Opa gestorben ist. Warum weiß ich nicht. Wenn Gott das so will, dann kann ihn nichts stoppen. Auch wenn man sagt: „Gott, wir bitten dich, tu was!“ Alles umsonst. Und trotzdem weiß ich: Jesus ist mit uns!!!

Die Einträge der Schülerinnen und Schüler lenken unsere Gedanken auf Gott selbst. Genau das möchte ich auch. Ohne den Anspruch, den Karfreitag oder die Welt erklären zu können. Auch ich kann nicht begreifen, wieso das Leid in der Welt immer wieder scheinbar blind zuschlägt. Aber ich bin all jenen dankbar, die mit mir auf der Suche bleiben – nach Gott. So haben sich etliche auch an die Frage gewagt: „Was geschieht am Karfreitag mit Gott selbst?“

„Wütend könnte er sein“ schreibt ein Volksschüler, während ein Gymnasiast überlegt, wie das ist, wenn ein Drittel von Gott stirbt. Und eine Mitschülerin meint „er ist näher bei den Menschen“.

Gott am Karfreitag – damit verbinde ich Hoffnung in zwei unterschiedliche Richtungen.

Erstens: Wenn Sie – ähnlich wie Felix – ihren persönlichen Karfreitag erleben und wir, die Mitmenschen, nicht mehr an Sie herankommen, können Sie immer noch etwas von Gottes Nähe erfahren. Denn Gott selbst ist am Karfreitag durch das Tal der Todesschatten gegangen. „Er ist näher bei den Menschen“ – das gilt da, wo das Leid unerträglich geworden ist.

Die andere Richtung ist diese: Karfreitag bedeutet: Gott lässt es zu, dass wir auf ihn vergessen. Gott lässt es zu, dass die Republik darüber diskutiert, ob der Karfreitag als halber Feiertag zu gelten hat oder als halber Arbeitstag, ob die Geschäfte heute ganz besonders gut laufen, oder ob der Handel sich diesen Tag als Feiertag leisten kann. Und was dieser Tag für den Tourismus bedeutet und für den Wunsch, auf Kurzurlaub in den Süden zu fahren.

Gott lässt es zu, dass die Menschheit meint, sie könne sich die Welt nach eigenem Gutdünken richten und sie könne es sich leisten, ihn, den Erfinder des Lebens, einfach totzuschweigen. An der Stelle nun die zweite Hoffnungsrichtung: Gott gibt diese Welt nicht auf, sondern er setzt sein Leben dafür ein, dass diese Welt und wir, die Menschen, immer noch eine Chance haben.

Man kann Jesus heute noch kreuzigen: Man kann Gott verspotten, ignorieren und als Privatsache abtun. Aber er hat das Leid der Welt getragen, er hat den Tod besiegt.

Man kann den Feiertag aus dem Kalender streichen. Aber Karfreitag bleibt. Ohne Karfreitag gäbe es kein Ostern. Ohne Tod keine Auferstehung.

So wünsche ich ein gesegnetes Osterfest.

Wolfgang Rehner
Superintendent