Die Schwerpunkte von ÖVP und Schmiedtbauer

In Wahlkämpfen wird immer stärker auf Personen gesetzt, inhaltliche Schwerpunkte drohen dabei unterzugehen. Dabei steht hinter jedem Kandidaten eine Partei mit ihren Wertvorstellungen und Zielen.

Diese Serie zur EU-Wahl19 fasst die Themenschwerpunkte der steirischen Kandidaten zusammen und soll als Überblick über die Programme der Parteien und als Orientierungshilfe dienen.

Schwerpunkte der Kandidatin

Simone Schmiedtbauer wurde sowohl als steirische, aber auch als Kandidatin des österreichischen Bauernbundes, der ÖVP-Teilorganisationen, aufgestellt. Als solche vertritt Schmiedtbauer gleich drei Wahlprogramme: ihr eigenes, das des Bauernbunds und das der ÖVP. Zumeist überschneiden sich die Positionen, allerdings ist die Schwerpunktsetzung und Ausdifferenzierung der Inhalte zwischen Bundespartei und Bauernbund unterschiedlich.

Der Bauernbund legt als politische Vertretung größten Wert auf die Berücksichtigung der Interessen seiner landwirtschaftlichen Klientel. So spricht man sich gegen Kürzungen der Agrarförderungen für Österreich aus, dafür verschreibt sich der Bauernbund beim Thema EU-Einfluss und Umsetzung dem Motto „weniger, aber effizienter“. Mehr Unterstützung fordert man für Jungbauern oder die lebensmittelverarbeitende Industrie. Zudem finden sich die „Abgeltung aller Mehrleistungen im Bereich Naturschutz“ sowie die „Ausweitung von neuen Naturschutzgebieten nur noch auf Basis von Übereinkommen mit den betroffenen Grundbesitzern und Gebietskörperschaften“ als Umweltschutzanliegen im Programm.

Simone Schmiedtbauer schlägt mit ihren eigenen Schwerpunkten die Brücke zwischen Bauernbund und Bundespartei. Daher ist der Themenbereich, den die Steirerin abdecken muss, relativ breit gefächert. Als Schlagworte lassen sich dazu nennen: Regionen und ländlicher Raum (Stichwort Digitalisierung, Breitbandinternet, 5G und Infrastrukturausbau), Jugend und Familienbeihilfe (Anpassung je nach Heimatland), Sicherheit und Subsidiarität, Bürokratie (Abbau, schlanke Verwaltung, Einsparungspotentiale), weiters Wirtschaftsstandort sowie Forschung und Entwicklung.

„Familienbetrieb statt Agrarkonzern“

Schmiedtbauers Hauptanliegen ist jedoch die Landwirtschaft: So spricht sie sich etwa für „faire Einkommen und Wertschätzung für die bäuerlichen Familienbetriebe“ aus - ebenso wie ihre Partei, die sich die GAP wünscht, die „Gemeinsame Agrarpolitik, die nicht Agrarfabriken, sondern bäuerliche Familienbetriebe als Zukunftsmodell sieht“. EU-weit sollen einheitliche Standards für Tier- und Pflanzenschutz gelten. Gentechnik will man von europäischen Feldern verbannen und eine Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Produkte einführen. Mit sogenannten „Weideschutzzonen“ will man Schäden durch Wölfe verhindern.

Jugend nach Europa bringen

Schmiedtbauer, selbst Mutter zweier jugendlicher Töchter, ist es wichtig, die Austauschmöglichkeiten für Jugendliche zu erweitern: Den steirischen Schülern, Lehrlingen, Facharbeitern und Studenten sollen „alle Türen offen stehen“. Die ÖVP bekennt sich zum Europäischen Solidaritätskorps, einer EU-Initiative, im Rahmen derer 17- bis 30-Jährige an Freiwilligen- und Beschäftigungsprojekten in ihrem eigenen Land oder im Ausland teilnehmen können.

Simone Schmiedtbauer im Studiogespräch

ORF Steiermark/Alina Neumann

Simone Schmiedtbauer

Beim Schwerpunkt „Wirtschaftsstandort Steiermark“ sollen Lehrlinge mehrwöchige Praktika im europäischen Ausland absolvieren können. Außerdem will man bilaterale Regionalpartnerschaften, internationale Handelsbeziehungen und den Binnenmarkt stärken. Für Österreich will die ÖVP ein modernes Wettbewerbsrecht und einen „starken innereuropäischen Investitionsschutz“. Gleichzeitig soll es Mindeststandards gegen Lohn- und Sozialdumping geben. Die österreichischen Standards sollen nicht gesenkt werden. Die ÖVP spricht sich außerdem für „umfassende Handelsabkommen“ aus und für eine „frühzeitige Einbindung von Unternehmensvertretern in Handelsverhandlungen“.

Europas „Googles, Facebooks und Apples“

Was die Forschung betrifft, liegt die Steiermark mit einer Forschungs- und Entwicklungsquote von 5 Prozent des regionalen BIP bereits im europäischen Spitzenfeld - das wolle man weiter ausbauen, indem man Hochschulen, Forscher und Projekte europaweit besser vernetzt, den Wissensaustausch fördert und mehr Geld in Spitzenforschung und Innovation investiert.

Die ÖVP forciert die Erforschung von Künstlicher Intelligenz. Unter dem Motto „Hightech made in Europe“ will man „die Googles, Facebooks und Apples von morgen“ in Europa schaffen. Eine europäische Cloud soll nach Vorstellung der ÖVP für „sichere und stabile Online-Kommunikation“ sorgen. Man möchte „Menschen auf die digitalisierte Welt vorbereiten“ und einen digitalen Binnenmarkt etablieren.

Wofür die Partei außerdem steht

Für die ÖVP ist diese Europawahl kein einfaches Kunststück - schon gar nicht nach dem Aus der Koalition mit der FPÖ im Bund. ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas, einer der einflussreichsten EU-Parlamentarier, hatte schon davor die Freiheitlichen immer wieder kritisiert.

Das große Thema von Bundeskanzler Sebastian Kurz ist, neben neuen Forderungen nach einem „Update“ des EU-Vertrags, die Subsidiarität: „Fragen der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik etwa, der gemeinsame Schutz der Außengrenzen sowie Fragen der Weiterentwicklung des EU-Binnenmarktes und des internationalen Handels. Auch den Klimawandel kann Österreich nicht alleine bewältigen. In diesen Fragen braucht es eine Stärkung der Europäischen Union“, heißt es im Wahlprogramm.

„Der gelbe Sessel“

„Gemeinsam in Vielfalt“, dieses Motto sieht ÖVP-EU-Spitzenkandidat Othmar Karas auf Fragen des ORF-Publikums nicht nur als Linie der ÖVP im Wahlkampf. Auch bei den Herausforderungen der Gegenwart möchte Karas, bei allen nationalen Unterschieden in Europa, das Gemeinsame betonen: gegen einen europäischen Superstaat, aber als „Kontinent des Miteinanders“ - mehr dazu in Karas für „Kontinent des Miteinanders“ (news.ORF.at)

Die Sozialpolitik soll auf nationaler Ebene gemacht werden. Geht es nach der ÖVP, sollte die EU in Zukunft öfter auf Verordnungen (verpflichtende Umsetzung) verzichten und mehr Richtlinien (Art der Umsetzung liegt bei den Mitgliedsstaaten) erlassen. In Zukunft sollen EU-Gesetze noch häufiger von EU-Parlament und Mitgliedsstaaten gemeinsam beschlossen werden. Was die Rechtsstaatlichkeit betrifft, wünscht sich die ÖVP neue Mechanismen, mit denen man diese in den Mitgliedsstaaten durchsetzen kann.

Gefährderdatei und schwarze Liste

Ein Bereich, der nicht erst seit dieser EU-Wahl die Diskussion beherrscht, ist die Sicherheit. Hier setzt die ÖVP auf Altbekanntes: Routen schließen und Außengrenzen sichern, andernfalls die österreichische Staatsgrenze kontrollieren. Frontex, die europäische Grenz- und Küstenwache, soll „rascher“ von momentan rund 1.500 auf 10.000 Mitarbeiter aufgestockt werden. Eigentlich hatte sich Bundeskanzler Kurz für eine solche Maßnahme bis 2020 ausgesprochen, beim EU-Gipfel im Dezember des Vorjahres entschied man sich dann allerdings doch erst für das Jahr 2027 - mehr dazu in Frontex-Aufstockung: 10.000 Beamte erst 2027 geplant (news.ORF.at).

Dafür fordert die ÖVP entsprechende Rücknahmeabkommen für abgelehnte Asylwerber, einen „Afrikaplan“, die Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort und eine gemeinsame Entwicklungszusammenarbeit. Mehr Teamarbeit wünscht man sich auch im Bereich der Strafverfolgung und beim Austausch von Fahnungsdaten. Daneben sollen ein gemeinsames Strafregister ausgebaut und Europol gestärkt werden. Gegen Radikalisierung und Extremismus will man unter anderem mit einer Gefährderdatei und einer schwarzen Liste für Hassprediger vorgehen.

ÖVP will Sitz im UN-Sicherheitsrat für Europa

Zum Thema Sicherheit gehört auch die Außen- und Verteidigungspolitik. Eine gemeinsame EU-Armee, bei der die Staaten ihr Kommando abgeben, werde es nicht geben, sagte Kurz - seine Partei verweist stattdessen auf eine „Kriseneingreiftruppe“. Das Einstimmigkeitsprinzip soll in außenpolitischen Fragen fallen. Lieber möchte man, dass Europa innerhalb der Vereinten Nationen „mit einer Stimme“ spricht und einen gemeinsamen Sitz im UN-Sicherheitsrat erhält.

Im Umgang mit den EU-Nachbarstaaten geht es zusammengefasst nach dem Motto: Sicherheit in der Nachbarschaft heißt Sicherheit in der EU. Dazu will man den Westbalkanstaaten eine klare Beitrittsperspektive bieten und den Abbruch der Betrittsverhandlungen mit der Türkei. In Bezug auf den syrischen Bürgerkrieg soll die EU verstärkt als Vermittler auftreten. Unter bestimmten Umständen sollen die Russland-Sanktionen abgebaut werden. Auch die religiöse Komponente kommt hier ins Spiel. Man will sich gegen die Christenverfolgung weltweit einsetzen und gibt ein Bekenntnis zu Israel als jüdischen Staat ab.

Finanztransaktionssteuer und digitale Betriebsstätte

Noch unter dem Eindruck der Weltwirtschafts- und Finanzkrise will die ÖVP nun ein „nachhaltiges Finanz- und Währungssystem“ aufbauen. Dazu gehören eine europäische Schuldenbremse und der Ausbau des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu einem Währungsfonds.

Der Digitalisierung versucht man mit einer Steuer auf Online-Umsätze und der Einführung der digitalen Betriebsstätte beizukommen. Steueroasen auf der „Schwarzen Liste“ sollen härter sanktioniert werden. Eine Finanztransaktionssteuer soll ebenso kommen wie eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer.

Klimaschutz und Landwirtschaft

Im ÖVP-Wahlprogramm ist auch dem derzeit heiß diskutierten Klimaschutz ein Unterkapitel gewidmet - als Teil der Landwirtschaft. Man will die Klimaziele „entschlossener als bisher durchsetzen“, weg vom Kohlestrom und auf erneuerbare Energien aus Österreich setzen. Die ÖVP spricht sich für einen weltweiten CO2-Mindestpreis und gegen Atomkraft in Europa aus. Stattdessen sollen neue Technologien zum Einsatz kommen und Plastik müsse vermieden werden.

ÖVP wählt mit Vorzugsstimmen

Aktuellen Umfragen zufolge liegt die ÖVP an erster Stelle und wird mit sechs Sitzen im EU-Parlament vertreten sein. Ihre Fraktion, die Europäische Volkspartei (EVP) wird demnach voraussichtlich auch im EU-Parlament die meisten Sitze auf sich vereinen. Wer von den Kandidaten der ÖVP-Liste schließlich ins EU-Parlament einzieht, entscheidet ein Vorzugsstimmensystem: Auf sämtlichen Wahlkampfmaterialien gibt es daher eine Anleitung, wie man den Wahlzettel richtig ausfüllt - nämlich mit dem Kreuz für die Partei und der Reihungsnummer und/oder dem Namen des Kandidaten.

ÖVP-Schmiedtbauer: „Wir sind alle Brüssel“

Vom 7.134-Seelen-Ort in die Zentrale Europas: Für Simone Schmiedtbauer (ÖVP) bedeutet der Wechsel ins EU-Parlament eine große Veränderung. Im Vorfeld der EU-Wahl kämpft sie mit dem Thema Landwirtschaft um Stimmen - mehr dazu in ÖVP-Schmiedtbauer: „Wir sind alle Brüssel“.

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