Hitlers Hetzschrift am Grazer Schauspielhaus
ORF
Adolf Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ wurde 12,5 Millionen Mal verkauft - gelesen wollte das sogenannte „Buch der Deutschen“ kaum jemand haben, haftet ihm doch wie kaum einem anderen der Ruch des Verbotenen an, nicht nur aufgrund des Verbotsgesetzes. Dieses wird ab Jänner 2016 ohnehin auf eine harte Probe gestellt, denn da die Urheberrechte laufen aus - „Mein Kampf“ könnte also in Österreich und Deutschland wieder ungehindert über den Ladentisch gehen.
Aus Giftschränken und von Dachböden
Grund genug für das Berliner Theaterkollektiv „Rimini Protokoll“, sich im Rahmen des steirischen herbsts dem Mythos dokumentarisch zu nähern. Was steht darin überhaupt geschrieben? Und geht davon Gefahr aus? In ihrer neuen Produktion suchen die Theatermacher Helgard Haug und Daniel Wetzel nach Antworten auf diese Fragen – in universitären Giftschränken, auf heimischen Dachböden oder ausländischen Flohmärkten nahmen sie die Spur eines Buches auf, das seine geschichtspolitische Brisanz bis heute nicht verloren hat. Die Annäherung erfolgt mit Hilfe von sechs Experten des Alltags, die schlicht ihre persönlichen Zugänge und von ihren Recherchen zu Hitlers Machwerk erzählen.
ORF
„Die Arschseite“
Auf „die Arschseite des Bücherregals“ begeben sich ein deutsch-türkischer Rapper, der mit seinen Songs gegen Patriotismus von der rechten Szene vereinnahmt wird, ein Irsraeli, der „Mein Kampf“ als Student verschlungen hat, eine Frauenrechtlerin, die als Jugendliche ihren Eltern ein selbst gebasteltes Exzerpt unter den Weihnachtsbaum gelegt hat, eine Juristin, die die Rechtslage erklärt, ein Buchbinder, der gleich auf der Bühne ein Exemplar druckt, sowie ein blinder Musikliebhaber, der aus einer Braille-Ausgabe Zitate vorliest.
Sendungshinweis:
„Der Tag in der Steiermark“, 1.10.2015
Darlegung des Antisemitismus
Man erfährt auch, in wie vielen Fassungen es „Mein Kampf“ gibt - von der Manga-Ausgabe bis zur hebräischen Übersetzung. Der israelische Jurist Alon Kraus, dessen Familie vor den Nazis flüchten musste, schätzt es immer noch, weil es, wie er sagt, das beste Buch sei, um den Antisemitismus darzulegen.
ORF
Andere Art der Geschichtsstunde
Das Verbotene scheint gleich entzaubert, denn die hier gestellten Fragen gehen alle an, auch wenn sie spielerisch etwa als Reise nach Jerusalem oder mit dem ABC-Stopp-Spiel aufgeworfen werden. Denn Tabus und Verbote erzeugten immer einen Gegenraum und zeugten für Hilflosigkeit, so Daniel Wetzel von „Rimini Protokoll“. Das „Buch der Deutschen“ steht riesengroß auf der Bühne - blau mit Goldschrift - der vielschichtige Blick aus dem Heute darauf ist eine andere Art der Geschichtsstunde.