Pilotprojekt in Graz: Industrie 4.0 zum Anfassen
In der sogenannten smartfactory@tugraz, die am Campus Inffeldgasse der TU Graz entsteht, werden auf rund 300 Quadratmetern modernste Fertigungstechnologien zur Verfügung stehen. Mit dem neuen Grazer Testlabor entsteht - neben jener in Wien-Aspern - die zweite österreichische Pilotfabrik. Eine weitere ist in Linz geplant.
Peter Melbinger - TU Graz
Firmen und Universitäten sollen unter Laborrahmenbedingungen die Forschung an und die Herstellung von Innovationen im Bereich Industrie 4.0 testen können, bevor diese in die reguläre Produktionskette eingeflochten werden. Der Fokus liegt auf Fertigungsmethoden, mit denen kleine Stückzahlen rentabel zu produzieren sind.
Neueste Technologien erproben
Verschiedenste Verfahren und Abläufe werden für die Tests bereitstehen. Dazu gehören zum Beispiel additive Fertigung, also die schichtweise Herstellung von Bauteilen, Hybridtechnologien, genauso wie die Vernetzung mit modernen Kommunikationstechnologien, Big Data Analytics für die Erprobung und Erforschung industrieller Produktionsanwendungen und Collaborative Robotik. Letzteres heißt, dass Roboter feinmotorische Arbeiten erledigen, die bisher nur von Menschen ausgeführt werden konnten - und dass Mensch und Maschine direkt kommunizieren und zusammenarbeiten.
Peter Melbinger - TU Graz
Aus Sicht von Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) biete die Industrie 4.0 die Chance, Arbeitsplätze, die abgewandert sind, wieder nach Österreich zu bekommen. „Hier haben wir bald eine Pilotfabrik, in der unsere heimischen Unternehmen die neuen Technologien testen und sehen können, wie die Industrie 4.0 funktioniert“, betonte Leichtfried.
Finanzierung:
Insgesamt investieren Infrastrukturministerium, Industrie und TU Graz rund 6,4 Millionen Euro in die Smartfactory. Zwei Millionen Euro kommen jeweils vom Ministerium und von Partnern aus der Wirtschaft. Die TU hat die Errichtungskosten für das Gebäude übernommen. Ein Großteil der IT-Infrastruktur wurde von Siemens zur Verfügung gestellt.
„Wir wollen gemeinsam mit jungen Menschen intelligente Produktionsformen der Zukunft erforschen und Forschungsfelder für die Industrie eröffnen“, hob Kurt Hofstätter, Leiter der Division Digital Factory bei Siemens Österreich, hervor.
Vernetzung als Gebot der Stunde
Die Produktion von Sachgütern unterliegt einem tief greifenden Wandel: Neue Produkte müssen in immer kürzerer Zeit auf den Markt gebracht werden. Zugleich sollen immer mehr Produkte ganz speziell nach Kundenwunsch gefertigt werden, schilderte Rudolf Pichler vom Institut für Fertigungstechnik der TU Graz und Projektleiter der im Aufbau befindlichen smartfactor@tugraz die Herausforderungen, die auf die Industrie zukommen. Die verstärkte Digitalisierung und Vernetzung der Produktionssysteme sei die Antwort, um eine noch effizientere und flexiblere Produktion zu ermöglichen.
Peter Melbinger - TU Graz
Menschen, intelligente Maschinen, Logistiksysteme und Betriebsmittel, die untereinander eigenständig Informationen austauschen, Aktionen auslösen und sich gegenseitig steuern können - diese Vernetzung könnte Prozesse in der Produktion grundlegend verbessern und selbst Kleinserien würden für die Unternehmen rentabel und für den Kunden leistbar. So lautet die Vision der Smartfactory. Ganz bewusst sei daher für den Grazer Standort der Schwerpunkt auf neue Fertigungsmethoden, mit denen kundenindividuelle Produkte rentabel hergestellt werden können, gelegt worden.