„herbst“ startete mit Klage an Gesellschaft

Am Freitag hat der „steirische herbst“ mit der Aufführung des Stücks „Specter of the Gardenia“ begonnen. Unter dem Motto „Back to the future“ warten heuer 150 Produktionen, die einen breiten Bogen zeitgenössischer Kunst spannen.

„Specter of the Gardenia“ ist ein Musiktheaterwerk des Autors Josef Winkler und des Komponisten Johannes Staud. Die gleichnamige Skulptur von Marcel Jean, die einen Frauenkopf mit durch Reißverschlüsse geschlossene Augen darstellt, inspirierte Winkler zu seinem ersten Theatertext.

steirischer herbst

Heta Multanen/steirischer herbst

„Vermaledeite Abfallgesellschaft“

Der Text rangiert zwischen Kindheitserinnerungen, surrealen Passagen und einer Art Welt- und Publikumsanklage. „Es geht um die vermaledeite Abfallgesellschaft, um unsere Polyestergesellschaft. Deshalb hat dieses Stück den Untertitel ‚Der Tag wird kommen‘“ - und dass demnach nichts Gutes kommt, muss der Autor nicht extra noch betonen.

Musik, Darsteller und Bühne als surreales Ensemble

Staud baute seine Komposition wie ein Melodram - passend zum Text - auf. Dass die Zeilen Winklers nicht gesungen werden, hatten die beiden Künstler rasch entschieden: „Wir alle wissen, wenn ein sehr starker, sehr atmosphärischer und persönlicher Text gesungen wird, nimmt man sehr viel weg und ist sehr viel am Deuten“, sagte Staud.

Hauptdarsteller in „Specter of the Gardenia“ ist Johannes Silberschneider. Er spielt aufgewühlt, dann wieder sanft-melancholisch, wandelt und verwandelt sich zwischen den Musikern des Solistenensembles Modern. Silberschneider steht dabei auf einer Bühne, die mit Kugeln, Quadern und Videoeinspielungen ein surreales Ensemble bildet.

Zurück in die Zukunft

Surreal erscheint aber auch das diesjährige Festivalzentrum des „steirischen herbsts“, das GrazMuseum. Das italienische Architekturkollektiv orizzontale verwandelte das Museum der Stadtgeschichte in eine Art retro-futuristische Raumstation und errichtete eine Rakete auf dem Platz vor dem Gebäude - mehr dazu in Futuristischer „herbst“ (15.09.2015).

Pressekonferenz vor dem "steirischen herbst"

ORF

Unter dem Motto „Back to the Future“ und angelehnt an die gleichnamige Filmtrilogie von Robert Zemecis unternimmt das Festival sozusagen eine Zeitreise. Während das Äußere des Zentrums in die Zukunft blickt, reist das Innenleben in der Zeit zurück. „Im historischen Palais wird es einen ästhetischen Gegenentwurf geben“, sagte Intendantin Veronica Kaup-Hasler.

Wir wird mit dem Erbe umgegangen?

Auch das Programm ist auf dieses Spiel mit den Zeiten und Generationen ausgelegt. Über allem steht die zentrale Frage, wie mit dem vielfältigen und bei Weitem nicht erfreulichen Erbe umgegangen wird. „All diese Gedanken sind spielerisch und gleichzeitig sehr politisch und ernst gemeint - bis hin zur Frage, wie wir damit umgehen, dass wir gerne bestimmte Texte wie die Genfer Flüchtlingskonvention vergessen“, so Kaup-Hasler.

Auf die aktuelle Flüchtlingssituation reagiert die „herbst“-Ausstellung, die im Festivalzentrum zu sehen ist. In einer Installation hängen 71 Besen von der Decke, die die 71 erstickten Flüchtlinge in einem Schlepperfahrzeug auf der Ostautobahn (A4) symbolisieren.

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