Identitären-Prozess: Großteils Freisprüche

Im Grazer Straflandesgericht ist am Donnerstag der Prozess gegen 17 Anhänger der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) zu Ende gegangen - es gab großteils Freisprüche.

Der Prozess war ursprünglich bis 31. Juli anberaumt. Da aber schon am Mittwoch fast alle Befragungen und Verlesungen durchgeführt wurden - mehr dazu in Identitären-Prozess: Letzte Fragerunde und in Identitären-Prozess: Letzte Zeugen gehört -, gab es bereits am Donnerstag die Urteile.

Geldstrafen wegen Sachbeschädigung und Nötigung

Die Angeklagten wurden allesamt von den Vorwürfen der Verhetzung und der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung freigesprochen. Zwei Angeklagte wurden wegen Sachbeschädigung, einer wegen Nötigung und Körperverletzung jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt.

„Bedeutungsinhalt mehrdeutig“

„Wenn eine Organisation im Kernbereich legale Tätigkeiten ausübt, ist es keine kriminelle Vereinigung, auch wenn sich daraus Straftaten ergeben“, so die Kernaussage der Urteilsbegründung. Der Richter erklärte, die Verhetzung sei zwar „unstrittig“, der Bedeutungsinhalt aber mehrdeutig, daher wären die IBÖ-Anhänger großteils freizusprechen.

So sei seiner Meinung nach das Transparent „Islamisierung tötet“, das vom Dach der Parteizentrale der Grazer Grünen heruntergelassen wurde, „keine Kritik am Islam, sondern an der Grünen-Politik und dem radikalen Islamismus“. Die Aktion an der Klagenfurter Universität, bei der eine Vorlesung gestürmt worden war, „wies auf Gefahren des politischen und radikalen Islam hin, und diese waren im Herbst 2016 gegeben“, so die Urteilsbegründung.

Der IBÖ-Slogan „Integration ist Lüge“ richte sich „nicht gegen Integration, sondern gegen eine verfehlte Politik“. Die Lehrveranstaltung, die gestört worden war, hatte das Ziel, Integration zu fördern: „Diese Meinung kann man teilen, muss man aber nicht“, so der Richter. Da die Verhetzung weggefallen sei, „ist auch das Thema kriminelle Vereinigung abgehakt“.

Identitären-Prozess in Graz

APA/STRINGER/APA-POOL

Den Angeklagten - zehn führende Vertreter der als rechtsextrem geltenden IBÖ sowie sieben Sympathisanten - wurde die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen: Sie sollen demnach strafbare Handlungen begangen bzw. die Vereinigung gefördert haben, so die Staatsanwaltschaft - mehr dazu in Identitären-Prozess: Notizen im Mittelpunkt, Ähnliche Antworten im Identitären-Prozess (10.7.2018), Identitären-Prozess: Offenbar Störaktion geplant (9.7.2018), Identitären-Prozess: Aktionen gestanden (6.7.2018) und Identitären-Prozess: Diskussion um Hetze (4.7.2018).

Staatsanwalt sprach von „Pseudomoralisten“

In seinem Plädoyer ging der Staatsanwalt mit den Beschuldigten noch einmal hart ins Gericht: „Sie stellen sich als eine Front von Gesetzestreuen dar und begehen fortwährend Gesetzesbruch.“ Und weiter: „Sie vermeiden jede Differenzierung, weil Hetze einfacher ist“, warf der Ankläger den Beschuldigten vor, die er als „Pseudomoralisten, die vorgeben, den Staat zu beschützen“, bezeichnete.

Angeklagte stritten Aktionen nicht ab

Die Angeklagten wiederum fühlten sich einheitlich nicht schuldig, obwohl sie die Aktionen selbst nicht abstritten - doch von Verhetzung und gar krimineller Vereinigung könne keine Rede sein, hieß es in den Rechtfertigungen, und dieser Argumentation folgte schließlich auch das Gericht.

Bernhard Lehofer, der Anwalt aller Angeklagten, sagte nach dem Prozess: „Meiner Meinung nach ist er (der Richter, Anm.) deswegen meiner Argumentation gefolgt, weil sie einfach die richtige Argumentation ist in diesem Fall. Da hätte der Richter mich wahrscheinlich nicht gebraucht, aber es freut mich natürlich, dass er letztlich sein Urteil ähnlich begründet hat, wie wir es auch gesehen haben.“

Die Verurteilungen bezogen sich auf eine IBÖ-Aktion im weststeirischen Maria Lankowitz sowie auf jene in der Universität Klagenfurt - bei letzterer erkannte der Richter eine Körperverletzung und eine Nötigung, da der Beschuldigte dem Rektor in den Bauch geschlagen haben soll. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 720 Euro verurteilt. Der andere Beschuldigte muss wegen Sachbeschädigung eine Strafe in der Höhe von 240 Euro bezahlen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Pilnacek verteidigt Anklage

Nach dem weitgehenden Freispruch verteidigte der Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, die Staatsanwaltschaft: Das Urteil sei „weder eine Niederlage noch Kritik“ für die Anklage; die Beweismittel hätten nicht ausgereicht, um zu einem Schuldspruch zu gelangen.

Pilnacek, der schon vor drei Wochen den von Kritikern angeführten Vorwurf des „Gesinnungsstrafrechts“ zurückgewiesen hatte, sprach nun von einer „Entscheidung an der Grenze“, es sei aber notwendig gewesen, sich mit der Bewegung auseinanderzusetzen. Die Staatsanwaltschaft sei sehr bemüht gewesen, die Zusammenhänge darzustellen. Die Anklage sei sehr ausführlich begründet und vertretbar gewesen, das Gericht habe eine Entscheidung getroffen.

Der Sektionschef, der auch darauf verwies, dass man für eine endgültige Beurteilung noch die Begründung des Gerichts abwarten müssen, betonte auch, dass der Weisungsrat die Anklage ebenfalls für begründet gehalten habe, und im Verfahren hätten Zeugen auch ausgesagt, welche Ängste bei ihnen ausgelöst worden seien.