Tötung im Rausch: Richter „unzuständig“

Zurück an den Start heißt es im Prozess gegen eine 48 Jahre alte Grazerin, die im Dezember 2011 stark alkoholisiert eine Bekannte getötet haben soll. Der Prozess wurde mehrmals vertagt, am Donnerstag erklärte sich der Richter für unzuständig.

Im Dezember 2011 besuchte die heute 48 Jahre alte Angeklagte eine Bekannte in deren Wohnung in Graz - dort kam es zu einem Streit, die Bekannte wurde getötet. Der Prozess hatte bereits im Oktober des Vorjahres begonnen, musste aber mehrmals vertagt werden - mehr dazu in Bekannte im Vollrausch getötet - Prozess vertagt (31.10.13) und Prozess um Tötung im Vollrausch erneut vertagt (23.01.14).

Mit Gehhilfe niedergedrückt

Die 48-Jährige soll stark alkoholisiert gewesen sein und ihrer gehbehinderten Bekannten einen heftigen Tritt gegen den Brustkorb versetzt haben, worauf sie zu Boden stürzte; daraufhin soll ihr die Angeklagte mehrmals ins Gesicht getreten und sie laut Anklage mit der Gehhilfe niedergedrückt haben, bis sich die Frau nicht mehr wehrte.

Kindesentführung als Nebendelikt aufgetaucht

Die Anklage gegen die Grazerin lautete auf Tötung, nicht auf Mord, da die 48-Jährige laut Gutachten aufgrund ihrer Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig gewesen sei. Im Oktober des Vorjahres kam es dann zum Prozess - weil während des Prozesses aber plötzlich eine versuchte Kindesentführung zum Nebendelikt wurde, musste der Prozess vertagt werden.

Die Frau soll die vier Jahre alte Tochter ihres ehemaligen Lebensgefährten in der Nacht zum Gassi gehen mit dem Hund mitgenommen und das Kind dann alleine auf der Straße stehen gelassen haben. Sie sei von dem Kind genervt gewesen, so die Angeklagte; darüber wollte der Richter mehr wissen und vertagte - mehr dazu in Grazerin tötete Nachbarin - Anklage ausgeweitet (18.12.13).

Der Prozess wurde im Dezember 2013 fortgesetzt und wieder vertagt. Heuer im Jänner fand der nächste Anlauf statt - weil sich aber psychiatrische Gutachten als widersprüchlich herausstellten und ein neuer Sachverständiger bestellt werden musste, wurde der Prozess neuerlich vertagt.

Wieder zurück an den Start

„Wir sind jetzt wieder bei Null“, fasste der Richter damals zusammen - und daran änderte sich auch beim vierten Anlauf nichts: Am Donnerstag erklärte sich der Richter für unzuständig.

Der medizinische Sachverständige Peter Leinzinger gab an, es habe trotz hohen Promillegehaltes - 2,5 bis ungefähr drei - keinen Hinweis auf eine volle Berauschung gegeben, wodurch die Anklage in dieser Form nicht gerechtfertigt wäre. Die beiden psychiatrischen Sachverständigen Manfred Walzl und Adelheid Kastner waren sich ihrerseits nicht ganz einig, ob die Grazerin nun tatsächlich unzurechnungsfähig gewesen sei und wie es mit ihrer Gefährlichkeit in Zukunft ausschauen würde.

„Explosiv panisch reagiert“

Also beauftragte der Richter einen vierten Gutachter, und damit trat Psychiater Reinhard Haller auf den Plan. Er führte bei der Verhandlung am Donnerstag sehr klar aus, dass die Angeklagte zu „unverhältnismäßig aggressiven Reaktionen und Aussetzern“ neigt, sobald sie etwas getrunken hat; bei der Tat dürfte sie sich vom Opfer bedroht gefühlt und „explosiv panisch reagiert“ haben.

Haller unterschied aber zwischen „Vollrausch“ und „pathologischem Rausch“, wobei er der Beschuldigten zweiteren attestierte: Es handle sich dabei um eine „abnorme Reaktion des Hirns auf Alkohol“, so der Sachverständige. Die Frau sei jedenfalls nicht zurechnungsfähig gewesen, und „die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas wieder passieren könnte, ist relativ groß“.

Neue Anklage muss erstellt werden

Haller sprach sich daher für eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aus, die auch bedingt ausgesprochen werden könnte, da die Frau seit zwei Jahren in Therapie ist und nichts mehr trinkt. Auf jeden Fall muss der Staatsanwalt eine neue Anklage erstellen: Sollte gefährliche Tötung angeklagt werden, müssen Schöffen entscheiden, bei einer Mordanklage werden es Geschworene sein. In beiden Fällen wird es aber eigentlich nur um die Einweisung gehen. Einen neuen Prozess wird es frühestens im Herbst geben.