Dschihadistenprozess: „Ich hatte keine Wahl“

Am Grazer Straflandesgericht wird am Dienstag der Prozess gegen zwei mutmaßliche Dschihadisten fortgesetzt. Dabei steht vor allem der zweite Angeklagte - ein mutmaßlicher IS-Kämpfer - im Mittelpunkt.

Den beiden Angeklagten, einem 34 Jahre alten gebürtigen Serben und einem 28 Jahre alten Angehörigen der Russischen Föderation, wird in Verbindung mit der Teilnahme an der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auch das Verbrechen des Mordes vorgeworfen.

Am ersten Tag ging es vornehmlich um den 34-Jährigen, den der Staatsanwalt aufgrund seiner Predigten als eine Schlüsselfigur der radikalen Islamisten in Österreich sieht - mehr dazu in Größter Dschihadistenprozess Österreichs läuft. Am zweiten Tag stand der 28-Jährige - ein mutmaßlicher IS-Kämpfer - im Mittelpunkt: Er beteuerte, sich niemals der Terrororganisation angeschlossen zu haben, die Anklage „hat nichts mit mir zu tun“.

„Nie einen Treueeid geleistet oder so“

Der 28-Jährige mit tschetschenischen Wurzeln erwies sich bei der Befragung als äußerst eloquent und bestrebt, einen harmlosen Eindruck zu machen: Bevor er 2013 nach Syrien ging, „habe ich nicht einmal gewusst, dass es den IS gibt“, erklärte er. Er habe zwar gekämpft, aber „nur für eine gute Sache. Ich hatte keinen Plan, wem ich mich anschließen soll.“ Dass er dann doch beim IS dabei war, gab er zu, aber „ich hatte keine Wahl“. „Sie hätten gar nicht nach Syrien fahren brauchen“, warf der Richter ein. „Ich war dabei, aber ich habe mich nicht angeschlossen, ich habe nie einen Treueeid geleistet oder so“, relativierte er seine „Mitgliedschaft“.

Eigentlich habe er nur der Bevölkerung helfen wollen. Als ihn der Richter mit den grausamen Taten wie Erschießen und Köpfe abschneiden konfrontierte, die ihm die Anklage vorwirft, regierte der 28-Jährige empört: „Da müsste ich ein Psychopath sein. Ich hätte Leute erschossen, die so etwas tun.“

„Ich wollte einen so richtig schlachten“

Ein ganz anderen Eindruck boten dann die Gespräche, die im Auto des Angeklagten abgehört worden waren. Er unterhielt sich dabei mit dem 34-jährigen Mitangeklagten und erklärte, er sei „ganz heiß“ darauf gewesen, „ich wollte einen so richtig schlachten“. Das wollte er nicht mehr so ernst genommen wissen: „Jeder hat schon einmal gesagt, er möchte jemand umbringen“, meinte er. Auch das abschätzige Gespräch über eine Frau „die blonde Maus“, die er „wie eine Chipstüte aufreißen“ wolle, nahm er nicht so schwer, obwohl der Staatsanwalt von „Vergewaltigungsfantasien“ sprach.

Islamismus-Gutachter am Wort

Dienstagnachmittag wurde auch der 34-jährige Islam-Prediger nochmals befragt. Danach erläuterte ein Islamismus-Sachverständiger seine insgesamt drei Gutachten: Nach der Aufarbeitung von Videos und CDs der Predigten kam er zur Ansicht, dass der Beschuldigte zum bewaffneten Kampf aufgerufen habe: „Die Videos weisen ihn eindeutig als Dschihadisten aus, auch wenn er sich nur einmal dazu bekannte“, so der Experte.

Der 34-Jährige vertrete eine dschihadistische Ideologie: „Er wirbt für den bewaffneten Kampf in Syrien und Tschetschenien“ und grenze sich strikt von Nicht-Muslimen wie Christen oder Juden ab. Für ihn seien allerdings auch Schiiten oder Alewiten Ungläubige. Außerdem würde er „die individuelle Pflicht zum bewaffneten Kampf befürworten“ und „die Hinrichtung mit Säbeln und Messern, also das Köpfen von Menschen“ verteidigen, so der Gutachter.

Die Befragung des Sachverständigen durch Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung wurde auf Mittwoch verschoben. Nach der Gutachtenerörterung wurden erste Zeugen befragt.

Insgesamt 13 Angeklagte

Bei den Grazer Dschihadistenprozessen stehen insgesamt 13 Angeklagte vor Gericht. Sie wurden bei Großrazzien Ende 2014 in Linz, Wien und Graz festgenommen – mehr dazu in Mutmaßliche Dschihadisten angeklagt (10.11.2015), Wieder Dschihadismus-Festnahmen in Graz (2.4.2015), Freigelassener Dschihadist wieder festgenommen (26.1.2015) und Großrazzia gegen Dschihadisten in drei Städten (28.11.2014). In zwei Geschworenen- und zwei Schöffenverhandlungen werden nun die unterschiedlichen Straftaten verhandelt.

Den Beginn machte das Verfahren gegen einen 50-jährigen gebürtigen Bosnier, dem das Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der Tatbestand der kriminellen Organisation vorgeworfen wird - mehr dazu in Bei Dschihadistenprozess IS-Videos vorgespielt (4.2.2016) und in Dschihadistenprozesse in Graz angelaufen (2.2.2016). Anfang Februar begann der zweite der vier Dschihadistenprozesse: Hier sind acht Personen angeklagt, zum Prozessauftakt erschienen aber nur fünf - mehr dazu in Zweiter Dschihadistenprozess eröffnet (5.2.2016).