Die Schwerpunkte von Grünen und Kogler

In Wahlkämpfen wird immer stärker auf Personen gesetzt, inhaltliche Schwerpunkte drohen dabei unterzugehen. Dabei steht hinter jedem Kandidaten eine Partei mit ihren Wertvorstellungen und Zielen.

Diese Serie zur EU-Wahl19 fasst die Themenschwerpunkte der steirischen Kandidaten zusammen und soll als Überblick über die Programme der Parteien und als Orientierungshilfe dienen.

Ganz persönlich

Schwerpunkte des Kandidaten

Themen hat Werner Kogler viele - auch wenn „Umwelt- und Klimaschutz, eine giftfreie Landwirtschaft, ein gerechtes Steuersystem, sozialer Zusammenhalt, Gleichberechtigung und unsere europäischen Werte“ auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam zu haben scheinen. „Bei dieser Europawahl geht es schlicht um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen“, bringt Kogler alle diese Politikbereiche auf einen gemeinsamen Nenner.

Im Mittelpunkt des Wahlprogramms steht der Wunsch nach einer „ökologischen, sozialen Friedensrepublik Europa“, sagt Kogler, der die EU-Wahl auch zur „Klimawahl“ erklärte: Die vom Menschen verursachte Klimaveränderung sei aktuell eine der größten Herausforderungen. Konkret wollen die Grünen das Pariser Klimaabkommen umsetzen und verbindliche CO2-Budgets einführen, um die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken. 2050 soll der Anteil an erneuerbaren Energien auf 100 Prozent gestiegen sein. Dazu gehören freilich auch das Ende der Subventionen von Kohle und der Atomausstieg. Beide Techniken seien ohnehin viel zu teuer. Die beste Energiequelle sei die Sonne.

Gegen Schiff und für die Schiene

Die Grünen wollen dafür sorgen, dass das Schienenverkehrsnetz ausgebaut wird und günstige europäische Zugtickets zur Verfügung stehen. Im Gegenzug sollen die „Steuerprivilegien“ für Schiffs- und Flugverkehr fallen. Auch sollen nach 2030 keine neuen Autos verkauft werden, die mit fossilen Brennstoffen angetrieben werden.

Für den Lkw-Verkehr stellen sich die Grünen eine „Alpentransitbörse“ vor: Auf dieser soll eine begrenzte Anzahl an Fahrten auf allen Alpenkorridoren gehandelt werden. Gigaliner-Lkws will man vollkommen von den europäischen Straßen verbannen. Dafür soll es mehr (europaweite) Fahrradrouten geben.

Um Verstöße gegen das Umweltrecht besser ahnden zu können, setzt die Partei auf einen internationalen Umweltgerichtshof. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) brauche eine Reform hin zu nachhaltigen Anbauformen und einer nachhaltigen Fischereipolitik, um die Artenvielfalt zu schützen. Bis 2030 wollen die Grünen den Verpackungsabfall um 50 Prozent reduzieren. Dazu soll es eine Plastiksteuer auf Wegwerfprodukte geben und ein EU-weites Pfandsystem.

Wofür die Partei außerdem steht

Seit der ersten EU-Wahl in Österreich 1996 sind die Grünen im Europa-Parlament vertreten. Ihre Fraktion heißt „Die Grünen/Europäische Freie Allianz“, kurz Grüne/EFA - und auch dort setzt man auf das Klima-Thema.

Für die Grünen in Österreich gehört zu diesem Thema auch die Landwirtschaft: Diese, hauptbetroffen von der Klimakrise, „ist international selbst für einen beträchtlichen Anteil des Ausstoßes klimaschädlicher Gase und damit für die Erderhitzung mitverantwortlich“, heißt es im Wahlprogramm. Die Grünen wollen daher einen Strukturwandel und eine Änderung der Förderpolitik, die in Zukunft an Umweltstandards gekoppelt sein soll.

Außerdem sind die Grünen gegen Tierversuche, Glyphosat, Neonikotinoide und Gentechnik. Dafür sollen die Lebensmittel verständlich auf Herkunft, Gentechnik und Haltung gekennzeichnet werden.

„Umweltzerstörung macht krank“

„Wer braucht schon Gerechtigkeit?“ fragen die Grünen: Die ökologische Frage werde zunehmend zur zentralen Gerechtigkeitsfrage, denn „Umweltzerstörung macht krank“, heißt es weiter im Wahlprogramm. Deshalb will die Partei einen fairen Handel etablieren, der auf Klimaschutz, soziale Standards, Nachhaltigkeit und eine faire Rohstoffpolitik Rücksicht nimmt. Die Handelsabkommen CETA, TTIP, TISA (für Dienstleistungen), JEFTA (mit Japan) und Mercosur (Südamerika) lehnen die Grünen in ihrer jetzigen Form ab oder konnten zumindest Veränderungen in ihrem Sinne durchsetzen.

EU-Budget erhöhen

Das Steuerdumping innerhalb der EU ist den Grünen ein Dorn im Auge. Das europäische Wettbewerbsrecht soll ihrer Meinung nach verhindern, dass es innerhalb der EU zu einem Rennen um die niedrigste Unternehmensbesteuerung kommt. Man will gegen Steueroasen vorgehen und für die Einführung der Finanztransaktionssteuer kämpfen.

Der EU-Haushalt soll aufgestockt werden. Geht es nach den Grünen, kommt das Geld aus Steuern auf Umweltverschmutzung und Ressourcennutzung. 50 Prozent des Budgets sollen dazu Klima- und Umweltschutzkriterien gewidmet sein. Von der Wirtschaft wünschen sich die Grünen eine „kreislaufförmige Wirtschaft mit null Emissionen“ hin zur Gemeinwohlökonomie. Verbraucher sollen ihre Rechte gegenüber Unternehmen geltend machen können.

Als Gegenstück zur Wirtschafts- und Währungsunion wollen die Grünen eine Sozialunion mit europaweiten Standards bei Einkommen und Arbeitslosigkeit sowie eine europäische Arbeitslosenversicherung etablieren. Soziale Rechte wie der Zugang zu Gesundheitsvorsorge, Wohnraum und Bildung sollen vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar sein. Gleichzeitig sollen gleiche Löhne für Frauen und Männer und ein einheitliches Mindesteinkommenssystem für Gerechtigkeit sorgen.

Friedens- statt Sicherheitspolitik

„Internationale Zusammenarbeit ist der Schlüssel zur Bekämpfung von Fluchtursachen, zur geordneten Steuerung von Migration und zum besseren Schutz vor Diskriminierung, Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen“, heißt es im Grünen-Wahlprogramm. Es soll „legale und sichere Migrationskanäle“ geben. Innerhalb Europas sollen Flüchtlinge „gerecht auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden“.

Werner Kogler beim Studiogespräch

ORF Steiermark/Alina Neumann

Offiziell wird die Übereinkunft über auswärtige Angelegenheiten „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)“ genannt. Die Grünen schreiben hingegen von einer „Gemeinsamen Außen- und Friedenspolitik“. Die EU müsse sich viel aktiver für friedliche Lösungen in bewaffneten Konflikten einsetzen. „Keine Waffenexporte an Diktatoren und Kriegsparteien“, dafür mehr Geld für die Entwicklungshilfe und einen Schwerpunkt am Westbalkan sind die zentralen Forderungen der Grünen.

„Der gelbe Sessel“

„Momentan fliegt viel auseinander“, deshalb müsse man die „Heimat Europa“ gegen alle Angriffe von Extremismen, vor allem von rechts schützen. Das sagt Grünen-EU-Spitzenkandidat Werner Kogler bei der Beantwortung der ORF.at-Publikumsfragen. Dass die Grünen für ungebremste Immigration seien, hält er für eine Mär - mehr dazu in Kogler will „Heimat Europa“ schützen (news.ORF.at)

Rechtsstaatlichkeit und Privatsphäre

Um die Rechtsstaatlichkeit in den EU-Ländern zu gewährleisten, fordern die Grünen eine starke europäische Staatsanwaltschaft und einen „Mechanismus zur regelmäßigen Überwachung des Zustands der Demokratien, der Rechtsstaatlichkeit, der Presse- und Meinungsfreiheit und der Grundrechte“. Bei Verstößen sollen entsprechende Sanktionen verhängt werden.

Die Grünen wollen dem EU-Parlament mehr Entscheidungsgewalt zugestehen, und auch die EU-Bürger sollen mehr Mitbestimmungsrecht bekommen. Sie sollen in Zukunft etwa über Vertragsänderungen abstimmen können. Schärfere Regeln soll es für Lobbyisten geben.

Die Privatsphäre in Zeiten der Digitalisierung ist den Grünen ein wichtiges Anliegen: Die Vorratsdatenspeicherung soll zurückgenommen werden und der Mensch die Oberhand über Roboter und Algorithmen haben.

Europäisches Freiwilligenjahr und freie Forschung

Ein eigenes Kapitel in ihrem Wahlprogramm widmen die Grünen den Themen „Jugend, Forschung und Kultur“. Sie fordern ein internationales Bildungsjahr für alle Jugendlichen, eine Brüsselwoche für die 16- bis 18-Jährigen und ein europäisches Freiwilligenjahr für Junge und Ältere.

Europa müsse weiterhin in die unabhängige Forschung und Innovation investieren und verfolgten Wissenschaftlern Schutz gewähren. Weiters heißt es: „Wissenschaftliche Fakten werden zu Glaubensfragen (etwa bei der Klimaveränderung) stilisiert, Wissenschaft-ler*innen öffentlich diskreditiert und komplexe Themen missbraucht, um für Irritation zu sorgen.“ Hier brauche es Erkenntnisorientierung statt Relativismus.

Eisenbahn-Romantik in Europa

Kogler wohnt am Stadtrand von Graz, schaut im TV mit Vorliebe die Champions League und die „Eisenbahn-Romantik“ - diese will er auch als EU-Mandatar pflegen und so oft wie möglich mit dem Zug nach Brüssel und Straßburg fahren. Das dürfte ihm auch gelingen: Aktuellen Umfragen zufolge könnte sich das Wahlergebnis der Grünen von 2014 halbieren, statt wie bisher drei Sitzen würden die Grünen dann nur noch einen Mandatar im EU-Parlament haben - das wäre dann Werner Kogler; dem zweiten Steirer und derzeitigen EU-Abgeordneten, Thomas Waitz, bliebe als Listenvierter der neuerliche Einzug ins EU-Parlament verwehrt.

Grünen-Kogler: „EU-Wahl ist Klimawahl“

Bei den Grünen ist die EU-Wahl Chefsache, kandidiert doch Parteichef Werner Kogler selbst als Spitzenkandidat. Er will die EU-Wahl zu einer „Klimawahl“ machen und drängt auf eine Umstellung der Förderpolitik in der Landwirtschaft . mehr dazu in Grünen-Kogler: „EU-Wahl ist Klimawahl“.

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