Messerstecherei an Schule: Prozess endet ohne Urteil

In Leoben hat der Prozess gegen eine 15-Jährige wegen absichtlich schwerer Körperverletzung ohne Urteil geendet. Die Einzelrichterin fühlte sich nicht zuständig, da ihrer Meinung nach der Verdacht in Richtung Mordversuch geht. Der Prozess muss neu aufgerollt werden.

Ohne Urteil ist am Freitag im Straflandesgericht Leoben der Prozess gegen eine 15-jährige Obersteirerin zu Ende gegangen. Sie hatte einen Mitschüler durch einen Bauchstich schwer verletzt, angeklagt war absichtliche schwere Körperverletzung.

Richterin: „Versuchter Mord“ möglich

Am Ende kam die Richterin aber zu dem Schluss, dass der Tatbestand des „versuchten Mordes“ vorliegen könnte und fällte daher ein Unzuständigkeitsurteil. Denn sollte „versuchter Mord“ tatsächlich vorliegen, müsste die Sache nicht vor einem Einzelrichter, sondern vor einem Geschworenengericht verhandelt werden. Staatsanwalt und Verteidiger können gegen diese Entscheidung berufen; sollte keine Berufung eingelegt werden, wird die Staatsanwaltschaft Anklage wegen versuchten Mordes erheben.

Amoklauf angekündigt

Die 15-Jährige nutzt Facebook nach wie vor: Am Weihnachtstag soll sie gedroht haben, Amok zu laufen, sollte sie noch jemand auf Weihnachten ansprechen. Das habe sie nicht geschrieben, so die Angeklagte am Freitag; als ihr die Richterin einen Ausdruck vorhält, brach das Mädchen in Tränen aus.

Verteidiger blieben bei Notwehr

Im Dezember musste die Verhandlung vertagt werden, nachdem das Mädchen einen Weinkrampf erlitt - mehr dazu in Messerstecherei an Schule: Prozess vertagt (5.12.2013). Am Freitag plädierte die Verteidigung weiterhin auf Notwehr bzw. Notwehrüberschreitung und wollte dazu verstärkt die Rolle des Opfers in den Sekunden vor der Tat thematisieren. Die beiden hatten sich zwar zuvor per SMS, im sozialen Online-Netzwerk Facebook und auch persönlich gestritten und beschimpft, doch der Bursche soll das damals 14-jährige Mädchen bei einer Aussprache angegriffen haben, bevor dieses zustach.

„In Panik zugestochen“

Der Bursche habe der Angeklagten zuerst einen heftigen Tritt in die Bauchgegend versetzt, wodurch sie gegen einen Tisch gefallen sei; danach sei der 15-Jährige auf einen Sessel gestiegen, habe das Mädchen von hinten angesprungen und es in den Schwitzkasten genommen. Die Angeklagte habe sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden und in Panik zugestochen - mehr dazu in Messerstecherei an Hauptschule (7.5.2013) und in Nach Messerattacke: Schülerin in U-Haft (8.5.2013).

Dass die heute 15-Jährige das Messer vorsätzlich zur Aussprache mitnahm und zuvor eindeutige Drohungen formulierte, wog allerdings weiterhin schwer; daher saß das Mädchen auch ursprünglich schon einmal wegen Mordversuchs drei Monate in U-Haft - mehr dazu in Messerstecherei: 14-Jährige aus U-Haft entlassen (19.8.2013).

Zeugin mit Angst vor der Angeklagten

Die Zeugenaussagen, die teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit getätigt wurden, warfen zum Teil kein gutes Licht auf die Angeklagte. Ein ehemaliger Mitschüler gab an, die 15-Jährige habe zuerst das spätere Opfer provoziert, um dann plötzlich ein Messer aus dem Ärmel zu ziehen und zuzustechen.

Zwei ehemalige Mitschülerinnen des Mädchens konnten sich kaum noch erinnern, bestätigten aber ihre Polizeiaussage unmittelbar nach der Messerattacke. Die 15-Jährige habe ihrem Mitschüler eine Kappe vom Kopf geworfen, daraufhin habe er sie in den Schwitzkasten genommen; sie habe aus ihrem Ärmel ein Messer gezückt und ihm damit in den Bauch gestochen. Auf die Frage des Staatsanwalts, ob sie Angst vor der Angeklagten hätte, antwortet eines der Mädchen mit Ja; warum, könne sie aber nicht sagen.

Angeklagte verweigerte Aussage

Der Anwalt des Mädchens stellte zu Beginn der Verhandlung am Freitag klar, dass sich seine Mandantin wieder nicht in der Lage fühle, etwas zum Vorfall zu sagen und jede Aussage verweigert: Der große Druck, der auf ihr laste, würde ihr Erinnerungsvermögen beeinträchtigen. Die Richterin las im Lauf der Verhandlung auch aus dem Bericht der Jugendwohlfahrt vor: Die Angeklagte sei in ihrer Entwicklung gefährdet, und es bestehe die Gefahr, dass sie noch weiter abrutsche. Sie habe selten einen so negativen Bericht gesehen, so die Richterin.