Dschihadistenprozess: Hauptzeuge kam maskiert

Am Donnerstag wurde in Graz der Prozess gegen einen islamistischen Prediger und einen mutmaßlichen Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) fortgesetzt. Ein Hauptzeuge erschien maskiert im Gerichtssaal.

Den beiden Angeklagten, einem 34 Jahre alten gebürtigen Serben und einem 28 Jahre alten Angehörigen der Russischen Föderation, wird in Verbindung mit der Teilnahme an der Terrormiliz IS auch das Verbrechen des Mordes vorgeworfen - mehr dazu in Größter Dschihadistenprozess Österreichs läuft, in „Ich hatte keine Wahl“ und in Dschihadistenprozess: Zeuge verhaftet.

Stark bewacht und im Zeugenschutzprogramm

Am Donnerstag sagte nun ein Hauptbelastungszeuge aus: Der Mann, der sich im Zeugenschutzprogramm befindet, erschien mit schwarzer Gesichtsmaske. Er wurde begleitet von Polizei und fünf Personen - vier Männer und eine Frau - in zivil, die ebenfalls maskiert waren. Er nahm die Maske zwar ab, wenn er mit den Richtern sprach, setzte sie aber sofort wieder auf, sobald er sich umdrehte. Der IS habe laut Richter ein Kopfgeld von 25.000 Euro auf ihn ausgesetzt.

Der Tschetschene war bei der moderaten Freien Syrischen Armee (FSA) als Funker tätig gewesen und erzählte, was er in dieser Zeit beobachtet hatte: Er schilderte, dass seine Armee ab 2014 Probleme mit dem IS bekommen habe. Zusammen mit einem Kollegen hörte er deren Funk mit und warnte seine Leute, doch „anfangs wurde uns kein Glauben geschenkt, deswegen hat es auch viele Opfer gegeben“.

Mit Masken „töten gegangen“

Bei den Kämpfen gab es nach seinen Angaben einen besonders brutalen Kommandanten, dessen „rechte Hand“ der angeklagte 28-Jährige gewesen sein soll. Die Kämpfer hätten Masken getragen „wenn sie töten gegangen sind“, außerdem hatten alle einen Sprengstoffgürtel um: „Sie konnten sich in die Luft sprengen, wenn es Probleme gab. Sie tragen das alle.“

Aus rund 150 Metern Entfernung hatte er ein grausames Massaker beobachtet, bei dem der Kommandant mit seiner Truppe einen Ort überfiel: Frauen und Männer wurden in getrennte Häuser getrieben und gefangen gehalten. Als die syrische Armee anrückte, flüchtete die IS-Truppe - die Frauen nahmen sie mit, die Männer „wurden alle mit dem Messer umgebracht, um Munition zu sparen.“ „Erstochen oder enthauptet?“, fragte der Richter. „Enthauptet.“

„In Syrien war er ein brutaler Mensch“

„Haben sie den Angeklagten dabei gesehen?“, wollte der Richter wissen. „Ja, mit dem Nachtsichtgerät“, bestätigte der Zeuge. Dann schilderte er noch, wie drei schwangere Frauen, die beim Rückzug nicht mitgenommen wurden, bestialisch getötet worden waren: „Ich habe nur eine genau gesehen, da ist mir übel geworden.“

So sollen ein ungeborene Babies aus den Bäuchen der toten Schwangeren geschnitten worden sein, und der Zeuge schilderte auch die Erinnerung an einen Brunnen, der nach dem Abzug der IS-Leute voller Leichen gewesen sei - auch Männer, die lebendig begraben worden seien, habe der Mann laut eigenen Angaben gesehen.

Nicht gesehen habe er jedoch, dass der Angeklagte diese Greueltaten begangen habe, aber er habe ihn vor Ort beobachtet bzw. über Funk gehört. Der Angeklagte gab daraufhin an, dass der Zeuge lüge - er, so sagte er, habe damit nichts zu tun. Der Richter wollte dann vom Zeugen wissen, wie er den angeklagten 28-Jährigen einschätzen würde: „In Syrien war er ein brutaler Mensch“, antwortete der Zeuge vorsichtig, betonte aber: „Diese Gruppe war schrecklich, ich beginne zum Glück, einige Details zu vergessen“.

„Bin sicher, dass ich getötet werde“

Bevor er wieder weggebracht wurde, ließ der Zeuge durchblicken, dass er um die Gefährlichkeit seiner Angaben durchaus Bescheid wisse: „Ich bin sicher, dass ich trotz des Zeugenschutzprogrammes getötet werde, aber ich habe keine Angst.“

Für leichte Irritation bei Richtersenat und Staatsanwalt sorgte ein beisitzender Richter, der schon in den letzten Tagen mit launigen Sprüchen aufgefallen war und plötzlich die Suchtgiftvergangenheit des Zeugen detailliert aufrollen wollte - der Befragte war 2014 wegen Drogenbesitzes verhaftet worden. „Wieso ist das relevant?“, wollte der zweite Beisitzer wissen, und der Ankläger meinte: „Hat er halt eine Haschzigarette geraucht“, und damit war der Fall dann auch bald beendet.

Einst angegriffene Zeuginnen gehört

Am Nachmittag wurden dann auch noch zwei junge Schwestern als Zeuginnen angehört, die der 28-Jährige laut Staatsanwalt vor drei Jahren bei einer Wiener Bushaltestelle wegen ihrer Kleidung belästigt haben soll: „Er hat uns beschimpft, dann ist er aus seinem Auto ausgestiegen und hat uns angegriffen“, schilderte eine der beiden Studentinnen die damalige Situation. Sie soll auch die Ehefrau des Mannes um Hilfe gebeten haben, doch „die hat nicht reagiert und sogar leicht gelächelt“, führte sie im Gericht weiter aus.

„Ich wollte ihnen nur etwas Gutes tun“, rechtfertigte sich der Angeklagte daraufhin. „Wenn sie gesagt hätten ‚Schleich dich‘ wäre ich sofort weggegangen.“ Der Vorfall kam damals vor Gericht, der heute 28-Jährige wurde zu einer Geldstrafe verurteilt: „Er hat sich dann bei unserem Vater entschuldigt“, meinte eine Zeugin. Wiedererkennen könne sie ihn aber nicht, der Vorfall sei „zu lange her“.

Insgesamt 13 Angeklagte

Bei den Grazer Dschihadistenprozessen stehen insgesamt 13 Angeklagte vor Gericht. Sie wurden bei Großrazzien Ende 2014 in Linz, Wien und Graz festgenommen – mehr dazu in Mutmaßliche Dschihadisten angeklagt (10.11.2015), Wieder Dschihadismus-Festnahmen in Graz (2.4.2015), Freigelassener Dschihadist wieder festgenommen (26.1.2015) und Großrazzia gegen Dschihadisten in drei Städten (28.11.2014). In zwei Geschworenen- und zwei Schöffenverhandlungen werden nun die unterschiedlichen Straftaten verhandelt.

Den Beginn machte das Verfahren gegen einen 50-jährigen gebürtigen Bosnier, dem das Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der Tatbestand der kriminellen Organisation vorgeworfen werden - mehr dazu in Bei Dschihadistenprozess IS-Videos vorgespielt (4.2.2016) und in Dschihadistenprozesse in Graz angelaufen (2.2.2016).

Anfang Februar begann der zweite der vier Dschihadistenprozesse: Hier sind acht Personen angeklagt, zum Prozessauftakt erschienen aber nur fünf - mehr dazu in Zweiter Dschihadistenprozess eröffnet (5.2.2016). Dieser Prozess wurde am Donnerstag in der Mittagspause des Verfahrens gegen den islamistischen Prediger und den mutmaßlichen IS-Kämpfer fortgesetzt, da der dortige Hauptzeuge auch hier aussagte. Es ging bei seiner Befragung nur darum, ob er einen der beschuldigten Männer tatsächlich in Syrien gesehen hat: „Er trug eine Militäruniform und eine Pistole“, war er sich in Bezug auf den 27-jährigen Zweitangeklagten sicher, erklärte aber, dass er keine direkten Kampfhandlungen beobachtet habe. Dieser Prozess soll am 8. März fortgesetzt werden.