Salzburger Festspiele – „Jedermann“ vorm Salzburger Dom
APA/BARBARA GINDL
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Wo sich die Welt neu erfinden kann

Noch nie hat es so lange Frieden gegeben, nie waren wir so reich, so sicher – was aber, wenn diese Geschichten nicht der Wirklichkeit entsprechen? Dieser Frage geht Philipp Blom in seinem Buch „Das große Welttheater“ nach.

„Wir leben in der besten aller Welten: Nie zuvor gab es so lange Frieden bei uns, nie waren wir so reich, so sicher. Diese Geschichten erzählen wir uns selbst. Was aber, wenn sie nicht der Wirklichkeit entsprechen? Wenn die Demokratien bröckeln, der Hass zwischen den sozialen Gruppen wächst, das Wirtschaftswachstum stagniert, die Gefahr einer Klimakatastrophe steigt?“

Wenn man gelernte Trampelpfade verlassen muss

Dann müssen die Geschichten neu erzählt, müssen neue Bilder, muss eine neue Sprache erschaffen werden, sagt Philipp Blom in seinem Essay, und er führt die Leser zurück in die kleine Eiszeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die Europa um mehr als zwei Grad abkühlte: Missernten, Hungersnöte, Epidemien und soziale Unruhen waren die Folge – die Menschen nahmen sie als göttliche Strafe wahr und reagierten darauf so, wie sie es aus den Geschichten der Vergangenheit gewohnt waren – mit Bußgottesdiensten, Prozessionen, Selbstgeißelungen und Hexenverfolgungen. Erst, als all das keine Wirkung zeigte, wurden neue Ideen ausprobiert, wissenschaftliche Methoden zugelassen – der Weg zur Aufklärung war frei.

„Das große Welttheater“
Zsolnay-Verlag

Vor ähnlichen Herausforderungen stehen wir angesichts des Klimawandels auch heute. Philipp Blom hat seine Analyse der Zeiten im Umbruch in fünf Kapitel geteilt, basierend auf den fünf großen Kränkungen der Menschheit: von Galilei, der die Erde aus dem Zenit des Sonnensystems schob über Darwin, der die Sonderstellung des Menschen in der Natur gekippt hat, bis Hubble und seinem Beweis, dass unser Universum eine Milchstraße von Millionen ist.

Sendungshinweis:

„Guten Morgen, Steiermark“, 2.8.2020

Der Hamburger Philipp Blom ist Historiker und Philosoph – vor allem aber wunderbarer Erzähler: Er verquickt philosophische Denkansätze mit geschichtlichen Ereignissen und nackten Zahlen, Daten, Fakten zu einer spannenden Reise durch die Geschichte.

„Neues wird erst denkbar, wenn es eine Gestalt bekommt“

Und was hat das alles mit den Salzburger Festspielen zu tun, zu deren 100-Jahr-Jubiläum der Essay entstanden ist? Philipp Blom schreibt: „Neues wird erst denkbar, wenn es eine Gestalt bekommt, wenn es sichtbar und hörbar wird, wenn es emotional berührt. Das ist die zentrale Arbeit von Denkern und Künstlern, von Bühnen eines dramatischen Innenlebens, das sich über verschiedene Medien kommuniziert, Verbindung aufnimmt mit seinem Publikum und so Veränderung überhaupt möglich macht.“