„Auf der spitzen Seite der Nadel“ von Gernot Stocker
Weishaupt Verlag
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Der Alltag einer männlichen Krankenschwester

Nicht erst seit Ausbruch der CoV-Pandemie leistet das Pflegepersonal in den Spitälern teilweise übermenschliches. Seit einigen Jahren schreibt sich ein steirischer Diplomkrankenpfleger seinen Frust von der Seele.

Seit 25 Jahren arbeitet der Oststeirer Gernot Stocker als Krankenpfleger im LKH Graz. Der Leistungsdruck werde immer größer, aber auch das Unverständnis der Patienten: „Sehr belastend sind zurzeit die Menschen, die nicht akzeptieren, dass es zum Beispiel Corona gibt. Wir behandeln sie aber, ihr Krankheitsverlauf ist sogar ein sehr schwerer, und sie leugnen es immer noch“, so Stocker, der sich selbst auch als „männliche Krankenschwester“ bezeichnet.

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 7.11.2021

Pflegealltag als „Leistungsspirale“

Seit fünf Jahren schreibt sich Gernot Stocker seinen Frust von der Seele: Tabulos und unzensiert dokumentiert er wie in einem Tagebuch die tägliche Arbeit eines Krankenpflegers bzw. einer Krankenschwester, die den psychischen und physischen Belastungen kaum mehr gewachsen ist: „Ganz viel Arbeit ist seit dem Ärztemangel auf das Pflegepersonal übergeben worden – und das ist eine Leistungsspirale, die sich zum Kubik dreht, die dann irgendwann der Mensch nicht mehr in der Lage ist auszuhalten.“

„Auf der spitzen Seite der Nadel“ von Gernot Stocker
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Bücher brachten Stein ins Rollen

Wie viele seiner Kollegen dachte auch er ans Aufhören. Seit Oktober ist der 42-Jährige in Teilzeit, um volle Leistung zu bringen. Durch das Aufzeigen der Bedürfnisse und die Ursachen der prekären Pflegesituation brachten seine Bücher aber einen Stein ins Rollen: „Ich habe Rückmeldungen bekommen, wo man mir gratuliert hat für meine Ehrlichkeit, wo man mir gesagt hat, ‚dass Sie sich das sagen getraut haben, dass es der Pflege nicht gut geht‘. Überall gibt es Probleme und mittlerweile einen Pflegenotstand.“

Jeder Arbeitstag im Landeskrankenhaus biete weiteren Stoff für das nächste Buch des Pflegers, der auf Rettung seines Berufsstandes drängt: „Ich sage immer so gerne beim Entlassungstag: ’Wir sagen nicht auf Wiedersehen – aber wenn Sie uns brauchen, sind wir hier.“