Diagonale
Diagonale/Paul Pibernig
Diagonale/Paul Pibernig
Kultur

Diagonale: Graz ist wieder Hauptstadt des Films

Das österreichische Filmfestival Diagonale wird bis Sonntag in Graz fast wie in Vor-CoV-Zeiten stattfinden. 113 österreichische Filme werden im Wettbewerb gezeigt, zur Eröffnung gibt es „Sonne“ von Kurdwin Ayub.

„Kino ist ein Ort, um den eigenen Blick zu weiten“, meinte Intendant Sebastian Höglinger bei der Programmpräsentation in Graz – und dieser Blick sei auch Anlass „für einen Funken Hoffnung“. So findet das Festival fast wie in Vor-CoV-Zeiten statt: Filmvorführungen im Kino, Diskussionen, Meetings – alles mit der gebotenen Vorsicht, denn sie „findet einmal mehr in Krisenzeiten statt“, so Höglinger.

„Generationenstatement ohne Selbstmitleid“

„Mit ‚Sonne‘ schenkt Kurdwin Ayub der Diagonale einen außergewöhnlichen Eröffnungsfilm. Bereits mit ihren betörenden Musikvideos, aberwitzigen und bissigen Kurzfilmen und ihrem Dokumentarfilmdebüt ‚Paradies! Paradies!‘ zeigte sie auf, dass die Beschreibung der Gegenwart unterschiedlichste filmische Formen erfordert“, heißt es zum Eröffnungsfilm „Sonne“ von Ayub, der erstmals zeitgleich in mehreren österreichischen Kinos zu sehen sein wird.

„Sonne“
Ulrich Seidl Filmproduktion
„Sonne“

Die Geschichte der drei Mädchen Yesmin, Bella und Nati, die Spurensucherinnen in den Lifestylecodes zwischen Retromode und kurdischen Militäruniformen sind, ist ein „Generationenstatement ohne Selbstmitleid und falsche Moral“. Der Film wirft einen Blick auf Freundinnen, die durch ein Video auf YouTube für kurze Zeit zu Stars werden und sich zwischen Pubertät, Internet und alltäglichem Rassismus behaupten müssen.

Österreich-Premiere für Ulrich Seidls „Rimini“

Einen Tag nach der Eröffnung findet die Österreich-Premiere von Ulrich Seidls „Rimini“ statt. Ein heruntergekommener Schlagerstar versucht, seine Scheinwelt aus Ruhm und Erfolg im Dauerrausch und bei Konzerten vor Bustouristinnen und -touristen aufrechtzuerhalten. Als seine erwachsene Tochter in sein Leben einbricht, wird er mit seinem falschen Pathos konfrontiert und droht daran zu zerbrechen.

„Rimini“
Ulrich Seidl Filmproduktion
„Rimini“

Auch Constantin Wulffs „Für die Vielen – Die Arbeiterkammer“ wird im Rahmen des Festivals erstmals in Österreich zu sehen sein. Der Film zeigt die Wechselwirkung zwischen Institution und Gesellschaft, indem er ein präzises Porträt einer Bürokratie im Dienste der Solidarität abbildet.

Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 5.4.2022

Zu sehen sind in der Kategorie Spielfilm auch Peter Brunners „Luzifer“, ein „hochalpines Kammerspiel“ sowie „Para:dies“, eine Dokufiktion von Elena Wolff, in der es um die Selbstfindung einer queeren Person geht. „Der Onkel/The Hawk“ von Helmut Köpping und Michael Ostrowski ist ein „gepflegter Grenzgang entlang des guten Geschmacks“, beschrieb Höglinger.

Die Diagonale im „Rausch“

Das Special „Rausch“ umfasst sechs Programme. Beleuchtet werden Fragen, wie das Kino den Rausch inszeniert, verhandelt und thematisiert. Im Mittelpunkt steht die „Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll“-Trilogie von Regisseur Michael Glawogger. Zur Einstimmung wird außerdem der Kurzfilm „Plasma“ (2004) von Filmemacherin Mara Mattuschka, die auch Animationen zu Glawoggers Spielfilm beigesteuert hat, gezeigt. Weitere Filme in diesem Special sind unter anderem „Ekstase“ (1933) von Gustav Machaty, „Vollgas“ (2001) von Sabine Derflinger, „Der Ball“ (1982) von Ulrich Seidl und „Dreh & Trink“ (2013) von Veronika Franz und Severin Fiala.

Veranstaltungstipp:

Die Diagonale 2022, das Festival des österreichischen Films, findet von 5. bis 10. April in Graz statt.

Derflinger ist auch mit ihrer neuen Arbeit „Alice Schwarzer“ vertreten, einem Dokumentarfilm über die Ikone der Frauenbewegung. Thematisch zum Kriegsgeschehen passen „Denn sie wissen, was sie tun“ von Gerald Igor Hauzenberger und „Signs of War“ von Jury Rechinsky und Pierre Crom.

Graz auf den Spuren Hollywoods

Ein weiteres Special widmet sich den Filmen, die in „Thaliwood“, also dem Filmgelände auf dem Grazer Flughafen Thalerhof, von 1947 bis 1953 gedreht wurden. Curd Jürgens führte Regie bei „Prämien auf den Tod“ (1949), besonders bekannt wurde „Die Vier im Jeep“ von Leopold Lindtberg (1951). Zusätzlich zu den Originalwerken wird noch Lotte Schreibers „Tracing Thalerhof“ (2014) gezeigt – mehr dazu in Diagonale: Specials zu „Rausch“ und „Thaliwood“ (16.2.2022).

„Zur Person“: Tizza Covi und Rainer Frimmel

Die Reihe „Zur Person“ zeigt Arbeiten von Tizza Covi und Rainer Frimmel. Die beiden Filmschaffenden wurden bei der Diagonale schon mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Großen Dokumentarfilmpreis für „Aufzeichnungen aus der Unterwelt“. Nun wird es erstmals eine umfassende Werkschau über ihre Arbeit geben.

Werkschau Diagonale Tizza Covi und Rainer Frimmel
Diagonale/Anna Stöcher
Die Diagonale-Reihe „Zur Person“ widmet sich der Arbeit von Tizza Covi und Rainer Frimmel

Die Programmreihe „In Reverenz“ bringt drei Filme von Friederike Petzold, und Michael Haneke wird zu seinem 80. Geburtstag mit einer Doppelvorstellung der deutschen und amerikanischen Fassung von „Funny Games“ bzw. „Funny Games U. S.“ geehrt.

Die große Preisverleihung, die heuer wieder live im Orpheum stattfinden wird, wurde auf den Sonntag verlegt, um den Samstag noch für Premieren nutzen zu können, erläuterte Höglinger.