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Retrospektive „Herzeigung“ von Günter Brus

„Herzeigung“ hat der steirische Künstler Günter Brus jede seiner Ausstellungen genannt. Nun ist das auch der Titel einer Retrospektive des großen Zeichners und Aktionisten im Grazer Bruseum.

Brus gilt als einer der wichtigsten Vertreter der österreichischen Aktionskunst. Die THP Privatstiftung trug die wohl herausragendste Privatsammlung zu seinem Werk zusammen, die nun öffentlich präsentiert wird und chronologisch durch sein Schaffen führt.

Frühes Schaffen anders als spätere Entwicklung

Bereits als junger Bub an der Kunstgewerbeschule in Graz begann Brus zu zeichnen, sagt Roman Grabner, Leiter des Bruseums: „Das etwa ist ein weststeirisches Bauernhaus, ein Aquarell, mit Wasserfarben gemalt, das überhaupt nicht nach dem späteren ‚Uniferkel‘ aussieht.“

Aquarell
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Impulsiver Ausdruck gewinnt an Bedeutung

Als 22-Jähriger schließlich kam Brus in Mallorca mit dem abstrakten Expressionismus in Berührung: „Da wurde die Farbe hinauf geschleudert, hinauf gepeitscht – das war impulsiver Ausdruck.“ Dadurch merkte der junge Brus schließlich, dass ihm die Bewegung immer wichtiger wurde als das eigentliche Ergebnis, und so entwickelte sich die Aktionskunst, die bis zur Selbstverstümmelung führte und 1968 mit der berühmten „Uniferkelei“ auf die Spitze getrieben wurde.

Brus bei Aktionskunst
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Bilddichtung durch Wort und Text

Daraufhin ging Brus nach Westberlin, wo er ein neues Genre entwickelte: die Bilddichtung. „Er beginnt das erste Mal, Wort und Bild miteinander zu verschränken. Aber nicht so, dass das Bild den Text illustriert, sondern es entsteht eine Dialektik.“

Bild Günter Brus
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Nach einem kurzen Ausflug in die Malerei Mitte der 90er Jahre beendete er 2008/2009 vorübergehend sein künstlerisches Schaffen: „Er hat von sich selbst immer gemeint, er hat sich ‚ausgezeichnet‘.“ Wäre da nicht der Lockdown 2020 gekommen, wo er mit Wasserfarben wieder neue Arbeiten anfertigte: „Keiner hat mehr damit gerechnet, am wenigsten er selbst, und er hat ähnlich obsessiv gearbeitet wie vorher. Seither sind weit über 1.000 Aquarelle entstanden.“

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 2.11.2022

Umfassende Retrospektive zusammengetragen

Insgesamt wird sein Oeuvre auf 35.000 bis 40.000 Werke geschätzt. „Er hat teilweise bis 2.00 oder 3.00 Uhr Früh durchgearbeitet, bis er körperlich nicht mehr konnte. Anna, seine Frau, hat immer erzählt, dass sie ihn in der Früh auf seinen eigenen Arbeiten liegend vorgefunden hat“, so Grabner.

Viele diese Werke konnte die THP Privatstiftung zusammentragen – es ist laut Roman Grabner die wohl umfangreichste Sammlung zum Werk von Brus. Die Retrospektive, die in den 50er Jahren beginnt und im Jahr 2020 endet, ist derzeit im Bruseum im Grazer Joanneumsviertel zu sehen.