„Wir werden fliegen“ – Cover
Frankfurter Verlagsgesellschaft
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Von Ost nach West: „Wir werden fliegen“

Auf dem Cover sieht man zwei junge Menschen, die im Wasser treiben: In ihrem Roman „Wir werden fliegen“ erzählt Susanne Gregor die Geschichte zweier Geschwister, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ihren Platz im Leben suchen.

Susanne Gregor kam selbst als Neunjährige mit ihrer Familie aus der damaligen Tschechoslowakei nach Österreich – an ihre ersten Eindrücke kann sie sich noch gut erinnern. „Als ersten Sinneseindruck, einfach auch wirklich dieser Überfluss, und was man so in den Geschäften sieht und das große Angebot und generell große Geschäfte und große Autos und große Häuser. Und dass das alles so ganz selbstverständlich war, also dass das jetzt nicht als Reichtum oder Luxus gesehen wurde“, so Gregor.

Suche nach neuer Heimat

In „Wir werden fliegen“ erzählt sie die Geschichte einer Geschwisterbeziehung und die Geschichte einer Familie, die versucht, sich in der neuen Heimat zurechtzufinden. Das gelingt ganz unterschiedlich: Die Mutter zum Beispiel verweigert sich den neuen Gegebenheiten komplett. So schreibt Susanne Gregor an einer Stelle im Roman, dass das Angebot an Farben, Geschäften, Schaufenstern, Kleidung und Essen bei der Mutter Kopfschmerzen auslöse und diese über den unnötigen Überfluss in den Regalen des Supermärkte schimpfe.

Sendungshinweis:

„Guten Morgen Steiermark“, 25.6.2023

Mütter ohne Anschluss

„Es ist ganz oft so, dass es die Männer waren damals – ich hoffe, dass es sich mittlerweile auch ein bisschen durchgemischt hat –, aber damals war es oft so, dass es die Männer waren, die Arbeit fanden, und die Kinder daneben eingeschult wurden, und alle Anschluss fanden außer die Mütter, die oft keine Arbeitsgenehmigung hatten, weil sie einfach nur Familienangehörige waren und und dadurch eben auch viel langsamer Deutsch lernen konnten und einfach viel langsamer Anschluss fanden und irgendwie aus ihrem Leben herausgerissen waren, ohne dass etwas Neues nachfolgen würde im neuen Land. Das ist etwas, was ich oft so beobachtet habe“, so Gregor.

Zwischen Überanpassung und Ratlosigkeit

Im Mittelpunkt stehen aber die beiden Geschwister: Aslan – der ältere – ist noch vor dem Ende der kommunistischen CSSR in den Westen geflüchtet. Er ist der Überangepasste, der immer versucht, der Beste zu sein und die anderen zu übertrumpfen, „der den Hilfsarbeiter, den er ja am Anfang im Westen machen musste, nie so richtig abschütteln kann. Dieses Gefühl, sich da herausarbeiten zu müssen, das ist etwas, was ihn ein bisschen verfolgt. Er möchte dieser Schicht entkommen, er möchte dieser Zuschreibung entkommen, und er möchte Oberarzt werden“, so Gregor.

„Wir werden fliegen“ – Cover
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Seine jüngere Schwester Mischa hingegen verspürt eine gewisse Ratlosigkeit, beschreibt Susanne Gregor das Gefühl: „Das ist schon auch etwas, was ich von mir kenne. Dass eben dieser Heimatbegriff so lose wird, dass man sich eigentlich überall und nirgends zurechtfindet. Das ist auch ein Segen, finde ich, aber manchmal auch schwierig.“

Unterschiedliche Wege

Denn auch als Mischa nach einiger Zeit wieder in ihr altes Zuhause, in die Slowakei zurückkehrt, spürt sie, dass sie dort nicht mehr hingehört. Beide gehen also sehr unterschiedliche Wege, verlieren einander unterwegs – am Ende bleibt aber die Hoffnung, so wie es
der Titel verspricht.