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Ein weiblicher Blick auf den Glauben

In ihrem Buch „Gott ist Feministin“ lädt Theologin Mira Ungewitter dazu ein, vieles, was uns über christliche Religion und von der Kirche bisher vermittelt wurde, zu überdenken. Die Pastorin sieht aus einem anderen Blickwinkel auf Gott und den Glauben.

Der Titel für dieses Buch ist ihr nicht unerwartet, aber spontan eingefallen, schreibt Mira Ungewitter. Denn der Satz „Gott ist Feministin“ mag zwar eine kühne Behauptung sein, entspräche aber ihrer tiefen Überzeugung. „Wenn es eine göttliche Macht gibt, kann es einfach nicht sein, dass es ihrem Willen entspricht, dass Menschen in der Ganzheit ihres Wesens zwischen den Polen weiblich und männlich nicht gleichberechtigt gedacht und gewollt worden sind“, so die Autorin.

In mehreren Kapiteln hinterfragt Ungewitter die traditionellen Rollenbilder von Frauen und beginnt damit in der biblischen Schöpfungsgeschichte: „Am sechsten Tag schuf Gott zuletzt den Menschen. Nicht den Mann schuf Gott zu seinem Ebenbilde – wie es früher so schön hieß –, männlich und weiblich erschuf er sie – also die Menschen und die Menschheit.“

Cover Gott ist Feministin
herder-Verlag

„Adam“ bedeutet althebräisch nicht Mann, sondern Mensch – damit liest sich die Schöpfungsgeschichte anders. Und „Eva“, die erste Frau, bedeutet so viel wie Leben, Lebendigkeit oder Mutter allen Lebens. So kann diese Geschichte als die von den zwei ebenbürtigen Menschen gelesen werden.

Unbefleckte Empfängnis?

Auch die sogenannte „unbefleckte Empfängnis“ und Marias Jungfräulichkeit nimmt die Theologin unter die Lupe: „Was erzählen die Geschichten über eine der berühmtesten Frauen der Welt, die vor allem viel zu oft aus männlicher Perspektive gedeutet und dogmatisiert wurde, für die der Grund der Verehrung vor allem die Jungfräulichkeit darstellt, sie also nur verehrt wird, weil sie von der eigenen Sexualität abgekoppelt ist, aber dennoch als Mutter fungiert.“

Sendungshinweis

„Guten Morgen Steiermark“, 15.10.2023

„Dabei mag ich den Gedanken von Maria als Mutter sehr. Und ich mag das Gedankenspiel, das einen männlichen Erzeuger ignoriert. Nicht, weil ich etwas gegen den armen Josef habe, oder weil ich das Konzept Sex, aus dem ein Kind hervorgeht, mag. Sondern ich mag die biblischen Erzählungen von Marias wundersamer Schwangerschaft, weil sie meines Erachtens das Patriarchat hintergeht. Was dann 2.000 Jahre lang daraus gemacht wurde, steht auf einem anderen Blatt“, schreibt die Pastorin weiter.

Das Leben aus der Sicht Marias

Außerdem liefert sie eine mögliche eigene Interpretation, wie Maria selbst ihr Leben gesehen haben könnte: „Ich war stark, unangepasst, mutig. Ich bin Risiken eingegangen, habe mich für ein uneheliches Kind entschieden. Ich habe mit jeder Faser meines Herzens an Gott geglaubt und daran, dass eine gerechtere Welt möglich sein muss und dass ich einen Beitrag dazu leiste. Einen unerwartet heiligen Beitrag, durch ein kleines Baby.“

Mira Ungewitter ist baptistische Pastorin in Wien, überzeugte Feministin und setzt sich – nicht nur mit diesem Buch – für eine liberale und progressive Kirche ein.