Der Zerrissene im Schauspielhaus Graz
ORF
ORF
Kultur

„Der Zerrissene“: Klassiker im Schauspielhaus

Mit „Der Zerrissene“ von Johann Nestroy bringt das Schauspielhaus Graz einen wahren Komödien-Klassiker auf die Bühne. Die deutsche Regisseurin Ulrike Arnold wirft einen sehr heutigen Blick auf das Stück über einen reichen Mann in der Sinnkrise.

Dekadenz, Weltschmerz und Sehnsucht – darum dreht sich das Leben des Zerrissenen. Vom eigenen Reichtum verwöhnt, lebt Herr von Lips gelangweilt in seinem modischen Loft an seinem Leben vorbei. In seinem dekadenten Selbstmitleid erscheint der Zerrissene sehr heutig. Der gebürtige Serbe Zeljko Marovic spielt ihn in dialektfreiem Hochdeutsch – ein Kontrast zum Dialekt der Dienerschaft.

Geschichte mit Abenteuer

„Ich selber spreche keinen Dialekt, aber wir haben uns vielmehr fokussiert auf die Figuren, die emotionale Bindung der Rollen, auf Tempo, Dynamik, Tiefe – einfach auf das Abenteuer, das in der Geschichte steckt“, so Marovic. Und dieses Abenteuer wirft den Zerrissenen unverhofft in ein anderes Leben. In der Inszenierung von Ulrike Arnold landet er auf dem Boden der Realität eines herunter gekommenen Dorf-Wirtshauses – und zwar als Dienstbote.

Der Zerrissene im Schauspielhaus Graz
ORF

Vom Loft bis in den Keller

Die nötige Würze bekommt der Klassiker durch aktuelle Anspielungen. Ulrike Arnold nimmt die sozialen Unterschiede in den Fokus. Und diese spiegeln sich auch auf der Bühne wider: In weiten, offenen Räumen für die Oberschicht und beengten, schachtelartig gebauten Zimmern für die Dienerschaft, so Arnold: „Wir verengen den Raum immer mehr, wir kommen von einer großen Loftwohnung, wo sehr viel Platz ist, in eine kleine Wirtschaft und werden dann noch mal ein bisschen enger im Keller. Wir versuchen ihn zusammen zu ziehen."

Der Zerrissene im Schauspielhaus Graz
ORF

Wohl auch ein Sinnbild für sich aktuell wieder zuspitzende soziale Unterschiede: "Das ist natürlich dieser Blick auf diese ganz reiche Oberschicht, den gibt es ja immer noch und wie wir mit Verteilung umgehen“, sagt Arnold.

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 24.11.2023

Frauen mit kritischer Stimme

Die glasklaren Couplets stammen aus der Feder von Ulrike Haidacher. Bei Nestroy zu naiven Stichwort-Geberinnen degradiert, bekommen die Frauen hier eine kritische Stimme, meint Kathi-Darstellerin Luisa Schwab: „Wir haben in der Arbeit versucht, der Figur mehr Dimensionen zu geben. Dass sie eine Figur ist, die einen größeren Handlungsspielraum hat, als er ihr vielleicht geschrieben wurde, und dass die Figur mehr Humor hat und Paroli gibt."