Buchcover: Zeitreise durch Stattegg
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Kultur

Statteggs Museum der Erinnerungen

Die Gemeinde Stattegg bei Graz ist sich ihrer Geschichte besonders bewusst. Seit zwei Jahren werden Bürgerinnen und Bürger gebeten, historische Dokumente in der Gemeinde abzugeben. Dort entsteht daraus ein öffentlich zugängliches Museum der Erinnerungen.

„Wir haben bei uns in Stattegg ein Archiv von Menschen für Menschen“, berichtet der Bürgermeister der Gemeinde Stattegg, Andreas Kahr-Walzl. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Stattegg brachten in den vergangenen Monaten und bringen weiterhin zahlreiche Dokumente, Fotos, Urkunden und Schriftstücke ins Gemeindeamt, wo sie in einen lokalhistorischen Kontext gesetzt werden. Daraus entstand nun ein Museum.

Minnesänger und Erzbischof als Ahnen

Gemeindechronist Fritz Stehlik konnte dadurch interessante, historische Fakten zusammentragen: „Seit dem frühen 12. Jahrhundert gibt es Stattegg. Die damaligen Gutsherren entstammten einem Vorarlberger Geschlecht, das waren die Stadtegger.“ Aus dem Geschlecht der Stadtegger stammten etwa der Minnesänger Rudolf von Stadtegg und der ehemalige Salzburger Erzbischof Ulrich, der die Fronleichnamsprozessionen in Österreich eingeführt hat.

Minnesänger Rudolf von Stadtegg
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Minnesänger Rudolf von Stadtegg

Von Kartoffelkäfer-Plagen und Sprunggeld-Streitereien

Aber auch die jüngere Geschichte wurde aufgearbeitet. So gab es etwa vor rund 65 Jahren eine Kartoffelkäferplage. „Da hat es eigene Wettbewerbe gegeben, welche Schule mehr Kartoffelkäfer sammelt“, erzählt der Gemeindechronist.

Besonders spannend sei auch die Auswertung der Gemeinderatsprotokolle seit dem Jahr 1901. „Die Hitparade dieser Gemeinderatsgeschichten führt die immer wiederkehrende Diskussion um die Höhe des Sprunggeldes für den Gemeindestier an“, schmunzelt Strehlik. Früher habe es in Stattegg zwei Gemeindestiere gegeben, erklärt Bürgermeister Kahr-Walzl: „Da hat es noch keinen Tierarzt gegeben für die Besamung der Kühe.“ Deshalb ging man mit seiner Kuh zum Gemeindestier und bezahlte dafür das sogenannte Sprunggeld.

Historische Gemeindebücher
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Bücher mit historischen Gemeinderatsprotokollen

Beinahe eine zweite Schöcklbahn

Zum Vorschein kamen auch Pläne einer Stattegger Schöcklbahn, Ludwig Kammerlander wollte 1909 eine Schmalspurbahn von Ober-Andritz ausgehend errichten. „Es war der Plan am Kalkleiten-Plateau eine Villensiedlung zu bauen, so wie es auch in Tirol mehrfach geschehen ist“, erklärt der Enkel des Entwicklers dieser Bahn, Peter Kammerlander. Die Stadt Graz hatte bereits den Besitz gekauft, die Pläne waren komplett ausgearbeitet. Der Gastwirt bei der Andritzer Endstation und damalige Bürgermeister von Andritz protestierte jedoch gegen diese Pläne, „weil er um sein Geschäft gefürchtet hat. Es wurden dann Demonstrationen vor dem Haus Galcisstraße 27 organisiert. Dann hat mein Großvater gesagt: dann halt nicht“, schildert Peter Kammerlander.

Bild des historischen Kalkleiten
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Historisches Darstellung von Kalkleiten

Unbekanntes, Erstaunliches und Humorvolles findet man im „Museum der Erinnerung“ in Stattegg. „Geschichte bedeutet Identität, die gilt es zu bewahrten, zu beschützen und fortzuführen“, ist Gemeindechronist Strehlik überzeugt. Er hofft, dass die Idee eines Gemeindearchivs samt Museum Schule in ganz Österreich machen könnte.

Dieser Beitrag begleitet die Sendung „Steiermark heute“, ORF 2, 4.2.2024